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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mich jetzt bitte entschuldigen...«
    Er wandte sich ab, ohne auf die ihm zugerufenen Reporterfragen einzugehen, und es wäre vielleicht alles normal weitergelaufen - oder zumindest anders -, wenn ich in diesem Augenblick den Fernseher ausgeschaltet oder das Programm gewechselt hätte. Aber das tat ich nicht. Stattdessen hörte ich zu, wie der Moderator von Channel 6 im Studio sagte: »Royal Bonnier, ein juristischer Kreuzritter, der schon ein halbes Dutzend angeblich aussichtsloser Pro bono -Fälle gewonnen hat, will unbedingt verhindern, dass das folgende Video einer Überwachungskamera hinter Bealls Department Store vor Gericht als Beweismittel zugelassen wird.«
    Und damit fing das verdammte Ding wieder an. Die Kleine durchquert das Bild mit ihrem Rucksack auf dem Rücken von rechts nach links. Brown taucht aus der Ladebucht auf und ergreift ihr Handgelenk. Sie sieht zu ihm auf und scheint ihn etwas zu fragen. Und dies war der Augenblick, in dem das Jucken wie ein ganzer Bienenschwarm über meinen fehlenden Arm herfiel.
    Ich schrie auf - vor Überraschung ebenso wie vor Schmerzen -, fiel zu Boden, riss dabei meinen Sandwichteller und die Fernbedienung mit und kratzte wie wild, was nicht mehr da war. Oder was ich nicht erreichen konnte. Ich hörte mich laut flehen, es solle aufhören, bitte aufhören. Aber es gab natürlich nur ein Mittel, um dieses Jucken zu stoppen. Ich richtete mich kniend auf, kroch zur Treppe und registrierte ein Knirschen, als ein Knie auf der Fernbedienung landete und sie zerquetschte, aber erst noch den Sender wechselte. Auf CMT: Country Music Television. Alan Jackson sang von Mord in der Music Row. Auf meinem Weg die Treppe hinauf krallte ich zweimal nach dem Treppengeländer - so sehr war meine rechte Hand da . Ich konnte tatsächlich die schweißnasse Hand auf dem Holz quietschen hören, bevor sie wie durch Rauch hindurchging.
    Irgendwie schaffte ich es bis nach oben und rappelte mich auf. Ich kippte alle Lichtschalter auf einmal mit dem Unterarm nach oben und stolperte wie bescheuert an meine Staffelei. Auf ihr stand ein halb fertiges Bild aus der Serie Mädchen mit Schiff . Ich riss es von der Staffelei, ohne es auch nur anzusehen, und knallte stattdessen eine frische Leinwand darauf. Ich atmete mit heißen kleinen Stöhnlauten. Schweiß sickerte mir aus den Haaren. Ich warf mir einen Mallappen über die Schulter, wie ich es früher mit Handtüchern getan hatte, wenn ich die Mädchen als Säuglinge ein Bäuerchen hatte machen lassen. Ich nahm einen Pinsel zwischen die Zähne, steckte mir einen zweiten hinters Ohr, wollte nach einem dritten greifen und nahm dann doch lieber einen Bleistift. Sobald ich anfing zu zeichnen, flaute das grässliche Jucken in meinem Arm ab. Um Mitternacht war das Bild fertig, das Jucken verschwunden. Nur war dies nicht irgendein Gemälde; es war das Bild, und es war gut, auch wenn ich das selbst sage. Und das tue ich. Ich war wirklich ein talentierter Hundesohn. Das Bild zeigte Candy Brown, der Tina Garibaldis Handgelenk umklammert hielt. Es zeigte Tina, die zu ihm aufsah, ihre dunklen Augen schrecklich in ihrer Unschuld. Ich hatte ihren Ausdruck so perfekt eingefangen, dass ihre Eltern nach einem einzigen Blick auf das fertige Produkt würden Selbstmord begehen wollen.Aber ihre Eltern würden es niemals zu Gesicht bekommen.
    Nein, nicht dieses.
    Mein Gemälde war eine fast exakte Kopie des Fotos, das alle Zeitungen Floridas, vermutlich die meisten Zeitungen Amerikas, seit dem 15. Februar mindestens einmal gebracht hatten. Allerdings gab es einen wichtigen Unterschied. Dario Nannuzzi hätte ihn bestimmt als eine Art Markenzeichen gesehen - Edgar Freemantle, der Vertreter der naiven Kunst, der tapfer gegen das Klischee ankämpfte und sich bemühte, Candy und Tina, dieses vom Teufel zusammengeführte Paar, neu zu erfinden -, aber auch Nannuzzi würde dieses Gemälde nie zu sehen bekommen.
    Ich steckte meine Pinsel in die Mayonnaisegläser zurück. Ich war bis zum Ellbogen hinauf (und die ganze linke Gesichtshälfte hinunter) mit Farbe verschmiert, aber ich verschwendete keinen Gedanken darauf, mich zu säubern.
    Ich war zu hungrig.
    Es gab Rinderhack, aber das war nicht aufgetaut. Dito der kalte Braten, den Jack mir letzte Woche von Morton’s mitgebracht hatte. Und der Rest meines gegenwärtigen Mortadellavorrats war mein Abendessen gewesen. Ich fand jedoch eine ungeöffnete Packung Special K mit Früchten und Joghurt. Ich fing an, etwas davon in eine

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