Wahn - Duma Key
ergriffen hatte, deshalb. Irgendetwas hatte die Initiative ergriffen und meiner Tochter diese Idee in den Kopf gesetzt. Dies war das nächste Klicken des Glücksrads, der nächste Powerball, der aus dem Korb fiel.
»Edgar?«, fragte Wireman. »Alles in Ordnung mit dir, muchacho? «
»Ja«, sagte ich und lächelte. Die Welt kam mit all ihrem Licht, all ihrer Farbe zurückgeschwebt. Ich zwang mich dazu, Juanita - die sie verwirrt betrachtete - die Puppe abzunehmen. Das kostete mich große Überwindung, aber ich schaffte es. »Danke, Dr. Kamen. Xander.«
Er zuckte mit den Schultern, breitete die Hände aus. »Bedanken Sie sich bei Ihren Mädchen, vor allem bei Ilse.«
»Das tue ich. Wer möchte noch ein Glas Champagner?«
Alle wollten eines. Ich legte meine neue Puppe in ihre Schachtel zurück und fasste dabei zwei Vorsätze. Erstens: Keine meiner Töchter würde jemals erfahren, wie sehr mich der Anblick des verdammten Dings erschreckt hatte. Und zweitens: Ich kannte zwei Schwestern - lebende Schwestern -, die niemals gleichzeitig einen Fuß auf Duma Key setzen würden. Oder überhaupt jemals, wenn ich es verhindern konnte.
Dies war ein Versprechen, das ich hielt.
12
Ein anderes Florida
I »Schön, Edgar, ich denke, wir sind fast fertig.« Vielleicht sah Mary Ire etwas auf meinem Gesicht, denn sie lachte. »War’s denn so schlimm?«
»Nein«, sagte ich, und es war wirklich nicht schlimm gewesen, auch wenn mir bei ihren Fragen nach meiner Malweise unbehaglich zumute gewesen war. Meine Malweise bestand eigentlich darin, dass ich mir Dinge ansah und dann Farbe auf die Leinwand klatschte. Und Einflüsse? Was konnte ich dazu sagen? Das Licht. Es lief immer aufs Licht hinaus - bei den Bildern, die ich mir gern ansah, und bei denen, die ich gern malte.Wie es die Oberfläche von Dingen veränderte und wie es anzudeuten schien, was sich darunter verbarg und nach außen drängte. Aber das klang nicht gelehrt; in meinen Ohren klang es bescheuert.
»Also gut«, sagte sie, »letztes Thema: Wie viele Gemälde sind es insgesamt?«
Wir saßen in Marys Penthouse in Davis Islands, einer feudalen Enklave in Tampa, die mir wie die Art-déco-Hauptstadt der Welt vorkam. Das Wohnzimmer war ein riesiger, fast leerer Raum mit einer Couch an einem Ende und zwei Designersesseln aus Leder und Chromstahl am anderen. Bücher gab es keine, aber auch keinen Fernseher. An der Ostwand, wo die Morgensonne ihn beleuchten würde, hing ein David Hockney. Mary und ich saßen an entgegengesetzten Ecken der Couch. Sie hatte einen Stenoblock auf ihren Knien. Auf der Sofalehne neben ihr stand ein Aschenbecher. Zwischen uns stand ein großes silbergraues Tonbandgerät von Wollensak. Es musste fünfzig Jahre alt sein, aber die Spulen drehten sich geräuschlos. Deutsche Technik, Baby.
Mary trug kein Make-up, aber farbloses Lipgloss, das ihren Lippen Glanz verlieh. Ihr Haar war zu einer nachlässigen Hochfrisur aufgetürmt, die sich bereits wieder auflöste und elegant und schlampig zugleich wirkte. Sie rauchte English Oval und trank etwas, das wie unverdünnter Scotch aussah, aus einem Whiskyglas von Waterford (sie hatte mir einen Drink angeboten und enttäuscht gewirkt, als ich mich für Mineralwasser entschied). Sie trug maßgeschneiderte Baumwollslacks. Ihr Gesicht sah alt, verbraucht und sexy aus. Ihre beste Zeit war vermutlich gewesen, als Bonnie and Clyde in den Kinos lief, aber ihre Augen waren noch immer atemberaubend, selbst mit Falten in den Augenwinkeln, Runzeln auf den Lidern und völlig ohne Wimperntusche oder Lidschatten. Sie hatte Sophia-Loren-Augen.
»In der Selby haben Sie zweiundzwanzig Dias gezeigt. Neun davon waren Bleistiftzeichnungen. Sehr interessant, aber klein. Und elf Gemälde, denn Sie hatten drei Dias von Wireman blickt nach Westen - zwei Nahaufnahmen, eine Weitwinkelaufnahme. Wie viele Gemälde gibt’s also insgesamt? Wie viele werden Sie nächsten Monat in der Scoto ausstellen?«
»Nun«, sagte ich, »das weiß ich noch nicht so genau, weil ich ständig male, aber ich denke, dass es im Augenblick ungefähr... zwanzig weitere sind.«
»Zwanzig«, sagte sie leise und tonlos. »Zwanzig weitere.«
Irgendetwas an der Art, wie sie mich ansah, war mir unangenehm, und ich veränderte meine Haltung. Das Sofa knarzte. »Tatsächlich könnten es einundzwanzig werden, denke ich.« Natürlich gab es ein paar Bilder, die ich nicht mitzählte. Freunde mit Zuwendungen war eines davon. Auch das Gemälde, das ich für mich Candy
Weitere Kostenlose Bücher