Wahn - Duma Key
nirgends entdecken.
Allerdings hatte ich nicht viel Zeit, mich umzusehen. Die Gratulationen zu den Dias und meinem Vortrag gingen endlos weiter.Wenigstens brauchte ich mir keine weitschweifigen Kommentare zu meiner Malweise anzuhören, denn die richtigen Bilder (und zusätzlich noch ein paar Buntstiftskizzen) waren in zwei großen Lagerräumen der Galerie sicher hinter Schloss und Riegel weggesperrt. Und ich entdeckte, dass der Trick, sich auf dem eigenen Empfang nicht zu betrinken, für einen Einarmigen darin bestand, in der verbliebenen Pfote dauernd eine Garnele im Schinkenmantel zu halten.
Mary Ire kam vorbei und fragte, ob unser Interview wie geplant stattfinden könne.
»Sicher«, sagte ich. »Obwohl ich nicht weiß, was ich Ihnen sonst erzählen kann. Ich glaube, ich habe heute Abend schon alles gesagt.«
»Oh, uns fallen schon ein paar Sachen ein«, sagte sie, und der Teufel soll mich holen, wenn sie mir nicht hinter ihren Brillengläsern im Katzenaugenstil der Fünfzigerjahre zublinzelte, während sie ihre Champagnerflöte aufs Tablett eines der die Runde machenden Ober zurückstellte. »Dann bis übermorgen. À bientôt, monsieur. «
»Klar doch«, sagte ich und unterdrückte den Drang, ihr zu erklären, mit ihrem Französisch müsse sie noch warten, bis ich meine Manet-Baskenmütze trug. Sie schwebte davon und küsste Dario auf eine Wange, bevor sie in die duftende Märznacht hinausschlüpfte.
Jack kam zu mir herüber und schnappte sich unterwegs zwei Champagnerflöten. Meine Haushälterin Juanita, die in ihrem kleinen rosa Kostüm adrett und chic aussah, war bei ihm. Sie nahm eine gegrillte Garnele auf einem Holzspießchen, lehnte den Champagner jedoch ab. Also hielt er das Glas stattdessen mir hin und wartete, bis ich mein Hors-d’œuvre in den Mund geschoben hatte, um danach greifen zu können. Dann stieß er mit mir an.
»Glückwunsch, Boss - du hast das Haus zum Schwanken gebracht.«
»Danke, Jack. Das ist mal eine Kritik, die ich verstehe.« Ich trank meinen Champagner (jede Flöte enthielt nur einen Schluck) und wandte mich an Juanita. »Sie sehen wundervoll aus.«
» Gracias, Mr. Edgar«, sagte sie und sah sich um. »Diese Bilder sind nett, aber Ihre sind viel besser.«
»Danke.«
Jack gab Juanita eine weitere Garnele. »Entschuldigen Sie uns bitte für ein paar Sekunden?«
»Natürlich.«
Jack zog mich neben eine farbenprächtige Skulptur von David Gerstein. »Mr. Kamen hat Wireman gefragt, ob sie noch ein bisschen in der Bibliothek bleiben könnten, nachdem der Saal sich geleert hat.«
»Wirklich?« Ich war leicht besorgt. »Weshalb?«
»Nun, er hat den größten Teil des Tages im Flugzeug verbracht und gesagt, Bordtoiletten und er vertrügen sich eigentlich nicht.« Jack grinste. »Er hat Wireman erklärt, er sitze schon den ganzen Tag auf etwas, das er jetzt in aller Ruhe loswerden wolle.«
Ich lachte schallend. Trotzdem war ich zugleich gerührt. Für einen Mann von Kamens Größe war es sicher nicht leicht, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen … und wenn ich es mir recht überlegte, war es ihm vermutlich nicht möglich, sich in einer dieser schäbigen Bordtoiletten hinzusetzen. Stehend Wasser lassen? Vielleicht. Mit knapper Not. Aber hinsetzen konnte er sich nicht. Er passte einfach nicht darauf.
»Jedenfalls dachte Wireman, Mr. Kamen hätte eine Auszeit verdient. Er hat gesagt, du würdest das verstehen.«
»Das tue ich«, sagte ich und winkte Juanita wieder zu uns heran. Sie sah zu einsam aus, wie sie in ihrem vermutlich besten Outfit allein dastand, während die Kulturhyänen um sie herumstrichen. Ich drückte sie leicht an mich, und sie lächelte zu mir auf. Und als ich sie gerade dazu überredete, sich endlich ein Glas Champagner zu nehmen (als ich das Wort pequeño für »klein« benutzte, musste sie kichern, woraus ich schloss, dass es nicht ganz richtig war), betraten Wireman und Kamen - Letzterer noch immer mit der Geschenkschachtel unter dem Arm - die Galerie. Kamen lächelte erfreut, als er mich sah, und das war wohltuender als mehrmaliger Beifall, selbst mit stehenden Ovationen als Dreingabe.
Ich nahm ein Glas Champagner von einem vorbeigetragenen Tablett, drängte mich durch die Menge und gab es ihm. Dann legte ich den Arm um alles, was ich von seinem gewaltigen Körper umfassen konnte, und drückte ihn an mich. Er erwiderte meine Umarmung so kräftig, dass meine noch immer empfindlichen Rippen aufschrien.
»Edgar, Sie sehen wundervoll aus. Das freut
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