Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Brown außer Atem nannte. Und die Buntstiftskizze Lady in roter Robe .
    »Also insgesamt über dreißig.«
    Ich rechnete im Kopf und veränderte meine Haltung nochmals. »Das kommt hin.«
    »Und Sie haben keine Ahnung, wie erstaunlich das ist. Das sehe ich Ihnen an.« Sie stand auf, leerte ihren Aschenbecher in einen Papierkorb hinter dem Sofa aus und blieb dann mit den Händen in den Taschen ihrer teuren Slacks vor dem Hockney stehen. Das Gemälde zeigte ein würfelförmiges Haus mit einem blauen Swimmingpool. Am Pool lag ein reifer weiblicher Teenager, fast eine junge Frau, in einem knappen schwarzen Badeanzug. Sie schien ganz aus Busen und langen gebräunten Beinen und schwarzem Haar zu bestehen. Sie trug eine Sonnenbrille, in deren dunklen Gläsern sich jeweils eine winzige Sonne spiegelte.
    »Ist das ein Original?«, fragte ich.
    »Allerdings«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. »Auch das Mädchen ist ein Original. Mary Ire, um 1962. Gidget in Tampa. « Ihr Gesichtsausdruck war grimmig, als sie sich zu mir umdrehte. »Stellen Sie das Tonbandgerät ab. Das Interview ist zu Ende.«
    Ich stellte das Gerät ab.
    »Ich möchte, dass Sie mir zuhören. Tun Sie das?«
    »Natürlich.«
    »Es gibt Künstler, die sich monatelang mit einem einzigen Gemälde abmühen, das nur halb so gut ist wie Ihre Arbeiten.Allerdings verbringen viele ihre Vormittage damit, sich von den Exzessen der vorigen Nacht zu erholen. Aber Sie... Sie produzieren diese Sachen wie ein Mann, der am Fließband arbeitet. Wie ein Zeitschriftenillustrator oder ein... ich weiß nicht... ein Comiczeichner!«
    »Ich bin mit der Überzeugung aufgewachsen, dass man bei jeder Arbeit sein Bestes geben muss - mehr steckt nicht dahinter, glaube ich. Sobald ich meine eigene Firma hatte, habe ich viel länger als früher gearbeitet, weil der strengste Boss, den ein Mann haben kann, er selbst ist.«
    Sie nickte. »Trifft nicht bei jedem zu, aber wenn’s zutrifft, trifft es wirklich zu. Ich weiß.«
    »Ich habe diese … nun, diese Arbeitsmoral... einfach auf das übertragen, was ich jetzt tue. Und das ist in Ordnung. Teufel, das ist mehr als nur in Ordnung. Ich stelle das Radio an... dann ist’s, als verfiele ich in eine Art Trance... und ich male...« Ich wurde rot. »Ich versuche nicht, den Geschwindigkeitsrekord für Landfahrzeuge zu brechen oder irgendwas in der Art...«
    »Das weiß ich«, wehrte sie ab. »Sagen Sie, blocken Sie?«
    »Blocken?« Ich wusste, was dieses Wort im Football bedeutete, aber ansonsten zog ich eine Niete. »Was ist das?«
    »Schon gut. Bei Wireman blickt nach Westen - übrigens ein umwerfendes Bild, dieses Gehirn -, wie haben Sie da die Gesichtszüge angelegt?«
    »Ich habe ein paar Fotos gemacht«, sagte ich.
    »Bestimmt haben Sie das, Schätzchen, aber wie haben Sie die Gesichtszüge angelegt, als Sie daran gegangen sind, das Porträt zu malen?«
    »Ich... nun, ich...«
    »Haben Sie die Drittes-Auge-Regel angewandt?«
    »Drittes-Auge-Regel? Nie davon gehört.«
    Sie lächelte mich freundlich an. »Um den Augenabstand eines Porträtierten richtig hinzubekommen, stellen viele Maler sich ein drittes Auge zwischen den vorhandenen vor oder markieren es sogar irgendwie. Was ist mit dem Mund? Haben Sie ihn mithilfe der Ohren zentriert?«
    »Nein... das heißt, ich wusste gar nicht, dass man das tun soll.« Jetzt kam es mir vor, als würde ich am ganzen Körper rot.
    »Keine Sorge«, sagte sie, »ich werde nicht vorschlagen, dass Sie sich an einen Haufen doofer Malerkniffe halten, nachdem Sie sie so spektakulär gebrochen haben. Die Sache ist nur...« Sie schüttelte den Kopf. »Dreißig Gemälde seit vergangenem November? Nein, in sogar noch kürzerer Zeit, weil Sie nicht gleich angefangen haben zu malen.«
    »Natürlich nicht, ich musste mir erst Malmaterial besorgen«, sagte ich, und Mary lachte, bis sie einen Hustenanfall bekam, den sie mit einem Schluck Scotch wegspülte.
    »Wenn dreißig Gemälde in drei Monaten eine Folge davon sind, dass man fast zu Tode gequetscht wurde«, sagte sie, als sie wieder sprechen konnte, »sollte ich mir vielleicht einen Kran suchen.«
    »Das würden Sie nicht wollen«, sagte ich. »Glauben Sie’s mir.« Ich stand auf, ging ans Fenster und sah auf die Adalia Street hinunter. »Mir gefällt, wie Sie hier wohnen.«
    Sie trat neben mich, und wir blickten gemeinsam hinaus. Das Gehsteigcafé sieben Stockwerke tiefer und genau gegenüber hätte auf dem Luftweg aus New Orleans importiert sein können. Oder aus

Weitere Kostenlose Bücher