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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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verschwand im Gedränge.
    »Früher hast du für solche Kerle Bankfilialen gebaut und dich dann mit ihnen wegen der Kostensteigerungen rumgestritten«, sagte Angel. Er trug einen von der Stange gekauften blauen Anzug und schien kurz davor zu sein, wie der Incredible Hulk an mindestens neun Stellen gleichzeitig aus den Nähten zu platzen. »Damals hätte er dich bloß für irgendeinen Trottel gehalten, der ihm den Tag verderben will. Jetzt glotzt er dich an, als könntest du goldene Gürtelschnallen scheißen.«
    »Angel, jetzt reicht’s!«, rief Helen Slobotnik, indem sie ihn mit dem Ellbogen anstieß und gleichzeitig nach seinem Champagnerglas zu greifen versuchte. Er hielt es gleichmütig außer ihrer Reichweite hoch.
    »Bestätige ihr, dass ich die Wahrheit sage, Boss!«
    »Irgendwie stimmt das wohl«, sagte ich.
    Und es war nicht nur der Bankier, der mich so eigenartig ansah. Die Frauen... Himmel! Sobald unsere Blicke sich begegneten, entdeckte ich manchmal ein Milderwerden, eine Nachdenklichkeit, als überlegten sie, wie ich sie mit nur einem Arm umarmen könnte. Wahrscheinlich war das verrückt, aber …
    Ich wurde von hinten gepackt, fast von den Beinen gerissen. Hätte Angel sich nicht blitzschnell das Glas gegriffen, wäre mein eigener Champagner verschüttet worden. Ich drehte mich um und stand vor Kathi Green, die mich anlächelte. Sie hatte die Reha-Gestapo weit hinter sich gelassen, wenigstens für heute Abend; sie trug ein kurzes, grün glänzendes Kleid, das jeden Zoll ihres durchtrainierten Körpers eng umschloss, und reichte mir mit ihren High Heels bis fast an die Stirn. Neben ihr stand - sie weit überragend - Kamen. Seine riesigen Augen schwammen mit gütigem Ausdruck hinter seiner Hornbrille.
    »Himmel, Kathi!«, rief ich aus. »Was hättest du getan, wenn du mich umgerissen hättest?«
    »Hätte dich fünfzig Sit-ups machen lassen«, sagte sie und lächelte breiter als je zuvor. In ihren Augen standen Tränen. »Das hab ich dir schon am Telefon angedroht. Sieh dir bloß deine Sonnenbräune an, du gut aussehender Junge.« Ihre Tränen liefen über, und sie umarmte mich.
    Ich erwiderte ihre Umarmung, dann schüttelte ich Kamen die Hand. Seine Linke verschluckte meine vollständig.
    »Ihr Flugzeug ist das ideale Beförderungsmittel für Männer meiner Größe«, sagte er, und viele Leute drehten sich nach ihm um. Er hatte eine dieser tiefen, tiefen James-Earl-Jones-Stimmen, die Werbedurchsagen im Supermarkt wie das Buch Jesaja klingen lassen können. »Das habe ich sehr genossen, Edgar.«
    »Es ist nicht wirklich meines, aber trotzdem vielen Dank«, sagte ich. »Hat einer von euch...«
    »Mr. Freemantle?«
    Das war eine bildhübsche Rothaarige, deren üppig sommersprossige Brüste in Gefahr waren, aus dem Ausschnitt ihres rosa Chiffonkleids zu quellen. Sie hatte große grüne Augen und schien etwa so alt wie meine Tochter Melinda zu sein. Bevor ich etwas sagen konnte, streckte sie eine Hand aus und umfasste zart meine Finger.
    »Ich wollte nur die Hand berühren, die diese Bilder gemalt hat«, sagte sie. »Diese wundervollen, ausgeflippten Bilder. Gott, Sie sind sensationell .« Sie hob meine Hand und küsste sie. Dann drückte sie sie an eine Brust. Ich konnte den rauen Kiesel der Brustwarze durch dünne Chiffonschleier spüren, bevor sie wieder in der Menge untertauchte.
    »Passiert das oft?«, fragte Kamen, und im selben Moment fragte Kathi: »Na, wie kommst du als Geschiedener zurecht, Edgar?« Sie wechselten einen amüsierten Blick, dann lachten beide schallend laut.
    Ich wusste recht gut, worüber sie lachten - Edgars Elvis-Moment -, aber ich fand das nur verrückt. Die Räume begannen mir wie Kammern einer Unterwassergrotte vorzukommen, und ich erkannte, dass ich sie hätte malen können: unterseeische Räume mit Bildern an den Wänden, Gemälden, die von Peoplefish-Schwärmen betrachtet wurden, während das Neptun-Trio »Octopus’s Garden« blubberte.
    Viel zu verrückt. Ich wollte endlich Wireman und Jack - ebenfalls noch nicht da -, aber noch mehr meine Familie um mich haben. Vor allem Illy. Vielleicht konnten sie gemeinsam durch ihre Gegenwart bewirken, dass die Welt um mich herum wieder etwas realer wurde. Ich sah zum Eingang hinüber.
    »Falls Sie Pam und die Mädchen suchen, müssten sie jeden Augenblick kommen«, sagte Kamen. »Mit Melindas Kleid war irgendwas nicht in Ordnung, also ist sie im letzten Augenblick noch mal hinaufgefahren, um sich umzuziehen.«
    Melinda, dachte ich.

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