Wahn - Duma Key
Natürlich war’s wieder Mel…
Und dann sah ich, wie sie sich ihren Weg durchs Gedränge der Ausstellungsbesucher bahnten: inmitten all der gebräunten Gesichter sehr nördlich und fehl am Platz wirkend. Tom Riley und William Bozeman III. - der unsterbliche Bozie - schritten in dunklen Anzügen hinter ihnen drein. Sie blieben stehen, um drei meiner frühen Skizzen zu betrachten, die Dario in der Nähe des Eingangs zu einem Triptychon angeordnet hatte. Es war Ilse, die mich als Erste sah. Sie rief »DADDY!« und zerteilte dann mit ihrer Schwester dicht hinter sich die Menge wie ein Schnellboot. Lin hatte einen hochgewachsenen jungen Mann im Schlepptau. Pam winkte und setzte sich ebenfalls in meine Richtung in Bewegung.
Ich ließ Kamen, Kathi und die Slobotniks - Angel weiter mit meinem Glas in der Hand - stehen. »Entschuldigung, Mr. Freemantle, ich hätte Sie gern gefragt...«, begann jemand, aber ich achtete nicht darauf. Im Moment hatte ich nur Augen für Ilses freudestrahlendes Gesicht
Wir trafen uns unter der Schrifttafel mit dem Text DIE SCOTO GALLERY PRÄSENTIERT »BLICK VON DUMA KEY« - SKIZZEN UND GEMÄLDE VON EDGAR FREEMANTLE . Ich stellte fest, dass sie ein taubenblaues Kleid trug, das ich noch nicht kannte, und mit den hochgesteckten Haaren und ihrem regelrechten Schwanenhals, den das Kleid betonte, erstaunlich erwachsen aussah. Ich war mir meiner immensen, fast überwältigenden Liebe für sie bewusst, und empfand Dankbarkeit dafür, dass sie mich ebenso liebte - das war in ihren Augen zu lesen. Dann hielt ich sie an mich gedrückt.
Im nächsten Augenblick war auch Melinda mit ihrem hinter ihr stehenden jungen Mann (der sie weit überragte - er war ein richtiger Hüne) bei mir. Ich konnte meine Töchter nicht gleichzeitig in die Arme schließen, aber sie hatte einen Arm für mich; sie drückte mich an sich und küsste mich auf die Wange. » Bonsoir, Dad, herzlichen Glückwunsch!«
Dann stand Pam vor mir: die Frau, die ich vor nicht allzu langer Zeit als treuloses Mistbeet bezeichnet hatte. Zu einem dunkelblauen Hosenanzug trug sie eine hellblaue Seidenbluse und eine Perlenkette. Dezente Ohrringe. Ebenso ordentliche wie gut aussehende Wildlederpumps mit halbhohen Absätzen. Klassisches Minnesota in Reinkultur. Auch wenn all die Leute und die fremde Umgebung ihr offenbar eine Heidenangst einjagten, stand auf ihrem Gesicht trotzdem ein hoffnungsvolles Lächeln. Im Lauf unserer Ehe war Pam alles Mögliche gewesen, aber hoffnungslos hatte nie dazugehört.
»Edgar?«, fragte sie mit schwacher Stimme. »Sind wir noch Freunde?«
»Worauf du dich verlassen kannst«, sagte ich. Ich küsste sie nur flüchtig, umarmte sie aber so fest, wie es ein Einarmiger nur tun kann. Ilse hielt mich von einer Seite umarmt; Melinda drückte mich von der anderen so fest an sich, dass meine Rippen schmerzten, aber das war mir alles egal. Wie aus weiter Ferne hörte ich das Publikum in spontanen Applaus ausbrechen.
»Du siehst gut aus«, flüsterte Pam mir ins Ohr. »Nein, du siehst wundervoll aus. Ich weiß nicht, ob ich dich auf der Straße wiedererkannt hätte.«
Ich trat einen halben Schritt zurück und musterte sie. »Du siehst selbst ziemlich prächtig aus.«
Sie lachte errötend, eine Fremde, mit der ich mir einst Tisch und Bett geteilt hatte. »Make-up verdeckt alle möglichen Sünden.«
»Daddy, das hier ist Ric Doussault«, sagte Melinda.
» Bonsoir und herzlichen Glückwunsch, Monsieur Freemantle«, sagte Ric. Er hatte eine einfache weiße Schachtel unter dem Arm. Jetzt hielt er sie mir hin. »Von Linnie und mir. Un cadeau. Ein Geschenk?«
Ich wusste natürlich, was le cadeau war; die eigentliche Offenbarung war der exotische Klang, den sein Akzent dem Kosenamen meiner Tochter gab. Er ließ mich deutlicher als alles andere verstehen, dass sie jetzt mehr ihm als mir gehörte.
Ich hatte den Eindruck, die Mehrzahl aller Besucher habe sich um mich versammelt, um zuzusehen, wie ich mein Geschenk auspackte. Tom Riley war bis fast zu Pams Schulter vorgedrungen. Bozie stand neben ihm. Dicht hinter den beiden warf Margaret Bozeman mir eine Kusshand zu. Neben ihr standen Dr. Todd Jamieson, der mir das Leben gerettet hatte... zwei Paare von Onkeln und Tanten... Rudy Rudnick, mein alter Büroleiter... Kamen, der natürlich nicht zu übersehen war... mit Kathi an seiner Seite. Sie waren alle gekommen, alle außer Wireman und Jack, und ich begann mich zu fragen, ob etwas passiert war, das sie von hier fernhielt. Aber im
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