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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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spielen (heute hatte Lo-Lo Adie spielen dürfen). Libbit kann diese schrecklichen Wesen manchmal vertreiben, indem sie etwas auf ihren Zeichenblock kritzelt, aber Libbit schläft jetzt - sie hat in letzter Zeit sehr viele unruhige Nächte gehabt.
    Der Big Boy springt vom Trampelpfad auf den Strand, dass der Sand in alle Richtungen spritzt. Seine hervorquellenden Augen starren. Sein verletzlicher Bauch, so voll widerlichen Gedärms, wölbt sich prall. Seine Kehle pocht.
    Die beiden Mädchen, die sich an den Händen haltend in den schäumenden Strudeln der kleinen Brandung stehen, wie Daddy sie nennt, sehen sich an. Dann sehen sie zu dem Schiff hinüber, das weiß schimmernd und mit gerefften Segeln vor Anker liegt. Es wirkt näher, als wäre es dichter an Land gekommen, um sie zu retten. Lo-Lo sagt: Wir müssen hin.
    Tessie sagt: Aber ich kann nicht SCHWIMMEN!
    Du kannst paddeln wie ein Hund!
    Der Big Boy springt. Sie können seine Gedärme schwabbeln hören, als er landet. Sie klingen wie nasser Müll in einem Wasserfass. Das Himmelsblau verblasst, und dann blutet der Himmel grausig rot. Danach kehrt langsam das vorige Blau zurück. Heute ist einfach ein Tag für solche Dinge. Und haben sie nicht gewusst, dass ein solcher Tag kommen würde? Haben sie das nicht in Libbits gehetztem Blick gesehen? Nan Melda weiß es; sogar Daddy weiß es, obwohl er nicht ständig hier ist. Heute ist er in Tampa, und wenn sie das grünlich weiße Ungeheuer betrachten, das sie schon fast eingeholt hat, wissen sie, dass Tampa ebenso gut auf der Rückseite des Mondes liegen könnte. Sie sind auf sich allein gestellt.
    Tessie umklammert Lo-Los Schulter mit kalten Fingern. Was ist mit der Unterströmung?
    Aber Lo-Lo schüttelt den Kopf. Die Unterströmung ist gut. Sie trägt uns zu dem Schiff hinaus.
    Für Worte bleibt keine Zeit mehr. Das Frosch-Ding macht sich zum nächsten Sprung bereit. Und sie begreifen, dass es irgendwie real ist, obwohl es das nicht sein kann. Es wird sie töten. Lieber das Wasser riskieren. Sie wenden sich ab, ohne die Hände loszulassen, und werfen sich in den caldo . Sie richten ihren Blick auf die schlanke weiße Schwalbe, die dicht vor ihnen vor Anker schwoit. Bestimmt werden sie an Bord gezogen werden, und jemand wird übers Schiffstelefon im Roost anrufen. »Haben zwei Meerjungfrauen aufgefischt«, werden sie sagen. »Will sie bei Ihnen jemand haben?«
    Die Unterströmung reißt ihre Hände auseinander. Sie ist unbarmherzig, und Lo-Lo ertrinkt tatsächlich als Erste, weil sie sich heftiger wehrt. Tessie hört sie zweimal rufen. Einmal um Hilfe. Dann, resignierend, den Namen ihrer Schwester.
    Unterdessen treibt ein Nebenfluss der Strömung Tessie geradewegs auf das Schiff zu und hält sie zugleich über Wasser. Einige magische Augenblicke lang schwimmt sie wie auf einem Surfbrett, und ihr kraftloses Hundepaddeln scheint sie wie ein Außenbordmotor voranzutreiben. Dann, kurz bevor eine kältere Strömung nach oben greift und sich um ihre Knöchel schlingt, sieht sie, wie das Schiff sich verwandelt...
    Hier ist ein Bild, das ich gemalt habe, nicht nur einmal, sondern wieder und wieder und wieder:
    Das Weiß des Schiffsrumpfs verschwindet nicht wirklich; es wird nach innen gesaugt, wie das Blut aus den Wangen eines zu Tode Erschrockenen zurückweicht. Das Tauwerk franst aus. Die Messingbeschläge werden trüb. Die Verglasung der Heckkabine platzt nach außen. An Deck zeigt sich ein an eine Müllhalde erinnerndes Durcheinander, das von vorn nach achtern rollend in Erscheinung tritt. Aber es war schon immer da. Tessie hat es nur nicht gesehen. Jetzt sieht sie es.
    Jetzt glaubt sie.
    Ein Wesen kommt an Deck. Es tritt langsam an die Reling, von der aus es auf das Mädchen hinunterstarrt. Es ist ein zusammengesunkenes Ding in einer roten Robe mit Kapuze. Feuchtes Haar, das vielleicht gar kein Haar ist, flattert um ein zerfließendes Gesicht. Gelbliche Hände umklammern splitterndes, verfaulendes Holz. Dann hebt es langsam eine Hand.
    Und winkt dem Mädchen zu, das bald FORT sein wird.
    Das Winken heißt: Komm zu mir, Kind.
    Und ertrinkend denkt Tessie Eastlake: Das ist eine FRAU!
    Sie geht unter. Und spürt sie, wie die noch warmen Hände ihrer erst seit Kurzem toten Schwester sie an den Knöcheln packen und sie in die Tiefe ziehen?
    Ja, natürlich. Natürlich tut sie das.
    Glauben ist auch Fühlen.
    Das wird Ihnen jeder Künstler bestätigen.

13
    Die Ausstellung
    I Irgendwann, falls Sie lange leben und Ihr

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