Wahn - Duma Key
unten an der Fluggasttreppe, während die anderen an Bord gingen. Sie hielt meine Hand umschlossen und blickte zu mir auf.
»Ich werde dich nur auf die Wange küssen, Edgar. Illy beobachtet uns, und ich möchte nicht, dass sie auf falsche Gedanken kommt.«
Das tat sie, danach sagte sie: »Ich mache mir Sorgen um dich. Du hast etwas Weißes um die Augen, das mir nicht gefällt.«
»Elizabeth …«
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. »Es war gestern Abend schon da, bevor sie in die Galerie gekommen ist. Auch als du am glücklichsten warst. Etwas Weißes um die Augen. Besser kann ich es nicht beschreiben. Das hab ich erst einmal an dir gesehen - damals im Jahr 1992, als es eine Zeit lang so aussah, als bliebe eine große Zahlung aus, und du Angst hattest, die Firma zu verlieren.«
Die Triebwerke heulten, und eine heiße Brise wehte ihr das Haar ins Gesicht und zerzauste ihre sorgfältig gelegten Locken aus dem Frisiersalon zu einem jüngeren und natürlicheren Look. »Darf ich dich etwas fragen, Eddie?«
»Natürlich.«
»Könntest du überall malen? Oder muss es hier sein?«
»Überall, glaube ich. Aber anderswo wär’s anders.«
Sie sah mich unverwandt an. Fast bittend. »Trotzdem täte dir ein Ortswechsel vielleicht gut. Du musst dieses Weiß loswerden. Ich rede nicht von einer Rückkehr nach Minnesota, nicht unbedingt, nur von einem Ortswechsel. Versprichst du mir, darüber nachzudenken?«
»Ja.« Aber nicht bevor ich wusste, was der rote Picknickkorb enthielt. Und nicht bevor ich mindestens einmal am Südende von Duma Key gewesen war. Und das traute ich mir zu. Denn es war Ilse gewesen, der schlecht geworden war, nicht mir. Ich hatte nur eine dieser rot gefärbten Rückblenden auf den Unfall erlebt. Und diese Phantomschmerzen.
»Alles Gute, Edgar. Ich weiß nicht genau, was aus dir geworden ist, aber von deinem alten Ich ist noch genug da, um es zu lieben.« Sie stellte sich mit ihren weißen Sandalen - bestimmt eigens für diesen Trip gekauft - auf die Zehenspitzen und drückte einen weiteren sanften Kuss auf meine stoppelige Wange.
»Danke«, sagte ich. »Und danke für letzte Nacht.«
»Nichts zu danken«, sagte sie. »Sie war sehr schön.«
Sie drückte meine Hand. Dann war sie die Treppe hinauf und verschwunden.
VI Wieder vor dem Abfertigungsgebäude von Delta Airlines. Dieses Mal ohne Jack.
»Nur du und ich, Miss Cookie«, sagte ich. »Sieht so aus, als wären wir die Letzten am Tresen.«
Dann sah ich, dass sie weinte, und legte meinen Arm um sie.
»Daddy, ich wollte, ich könnte hier bei dir bleiben.«
»Flieg zurück, Schatz. Lern für deine Prüfung, und trumpf dann ganz groß auf. Wir sehen uns bald wieder.«
Sie löste sich aus meiner Umarmung. Musterte mich besorgt. »Du kommst zurecht?«
»Ja. Und du kommst auch zurecht?«
»Klar. Bestimmt.«
Ich umarmte sie erneut. »Geh rein. Check ein. Kauf Zeitschriften. Sieh CNN. Flieg gut.«
»Also gut, Daddy. Es war sensationell.«
»Du bist sensationell.«
Sie gab mir einen herzhaften Schmatz auf den Mund - vielleicht als Entschädigung für den, den ihre Mutter mir vorenthalten hatte - und ging durch die Automatiktür hinein. Sie drehte sich noch mal um und winkte mir zu - jetzt kaum mehr als eine Mädchengestalt hinter dem polarisierten Glas. Ich wünschte von ganzem Herzen, ich hätte sie besser sehen können, denn ich habe sie nie wiedergesehen.
VII Vom Ringling Art Museum aus hatte ich Nachrichten für Wireman hinterlassen - eine beim Bestattungsunternehmen und eine auf dem Anrufbeantworter im Palacio -, dass ich gegen drei Uhr zurück sein und ihn dort erwarten würde. Und er sollte Jack von mir ausrichten, wenn Jack alt genug sei, um zu wählen und Partys mit Studentinnen der FSU zu feiern, müsste er eigentlich auch alt genug sein, um sich um sein verdammtes Handy zu kümmern.
Tatsächlich war es fast halb vier, als ich nach Duma Key zurückkam, trotzdem stand sowohl Jacks Wagen als auch Elizabeth’ alter silberner Mercedes auf dem von Rissen durchzogenen Quadrat rechts neben dem Big Pink, und Jack und Wireman saßen auf der Hintertreppe meines Hauses und tranken Eistee. Jack trug weiter seinen grauen Anzug, aber sein Haar war wieder wie gewohnt zerzaust, und er hatte unter dem Jackett ein T-Shirt der Devil Rays an. Wireman trug schwarze Jeans und ein weißes Hemd mit offenem Kragen; auf seinem Kopf saß weit aus der Stirn geschoben eine Kappe der Nebraska
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