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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ein großes und zwei kleine. Die kleinen Abdrücke stammten von Kindern. Alle diese Füße waren nackt gewesen.
    »Siehst du, wie sie die Treppe hinaufführen und dabei schwächer werden?«, fragte Jack.
    »Ja«, sagte ich. In meinen eigenen Ohren klang meine Stimme schwach und wie aus weiter Ferne. »Ich bin nebenhergegangen, weil ich sie nicht verwischen wollte«, sagte Jack. »Hätte ich da schon gewusst, was Wireman mir erzählt hat, während wir auf dich gewartet haben, wäre ich vermutlich gar nicht raufgegangen.«
    »Kann ich dir nicht verübeln«, sagte ich.
    »Aber dort war niemand«, sagte Jack. »Bloß … na ja, du wirst’s ja sehen. Pass auf.« Er zog mich seitlich an die Treppe. Die neunte Stufe befand sich in Augenhöhe, und weil Licht darüber fiel, konnte ich ganz schwach die Spuren bloßer Kinderfüße erkennen, die wieder nach unten führten.
    Jack sagte: »Alles ziemlich klar, finde ich. Die Kinder sind in dein Atelier raufgegangen und dann wieder runtergekommen. Der Erwachsene ist an der Haustür geblieben, vermutlich um Schmiere zu stehen... aber wenn das mitten in der Nacht war, gab es nicht viel aufzupassen. Hattest du die Alarmanlage eingeschaltet?«
    »Nein«, antwortete ich, wobei ich seinem Blick auswich. »Ich kann mir die Zahlen nicht merken. Ich habe sie auf einem Zettel in der Geldbörse, aber jedes Hereinkommen war ein Wettlauf gegen die Uhr - ich gegen dieses gottverdammte Piepsding an der Wand …«
    »Schon okay.« Wireman packte mich an der Schulter. »Diese Einbrecher haben nichts mitgenommen; sie haben was dagelassen.«
    »Du glaubst nicht echt, dass Miss Eastlakes tote Schwestern dir einen weiteren Besuch abgestattet haben, oder?«, fragte Jack.
    »Tatsächlich«, sagte ich, »glaube ich, dass sie es getan haben. Ich dachte, das würde im hellen Licht eines Aprilnachmittags, an dem der Golf im Sonnenschein glitzerte, dämlich klingen, aber das tat es nicht.«
    »In Scooby Doo käme am Ende heraus, dass es der verrückte Bibliothekar gewesen ist«, sagte Jack. »Du weißt schon, der dem Schlüssel Angst zu machen versucht, damit er den Schatz für sich behalten kann.«
    »Schön wär’s«, sagte ich.
    »Nehmen wir mal an, die kleinen Spuren stammen von Laura und Tessie Eastlake«, sagte Wireman. »Wer hat dann die größeren hinterlassen?«
    Keiner von uns antwortete.
    »Kommt, wir gehen hinauf«, sagte ich schließlich. »Ich möchte in den Korb sehen.«
    Wir gingen ins Little Pink hinauf (und mieden dabei die Spuren - nicht um sie zu erhalten, sondern weil keiner von uns auf sie treten wollte). Der Picknickkorb, der genau so aussah wie der, den ich mit dem aus Gene Hadlocks Praxis geklauten roten Kugelschreiber gezeichnet hatte, stand auf dem Teppichboden, aber mein Blick wurde als Erstes von meiner Staffelei angezogen.
    »Du kannst mir glauben, dass ich auf der Stelle abgehauen bin, als ich das gesehen habe«, sagte Jack.
    Ich glaubte ihm, spürte aber selbst keinerlei Fluchtreflex. Im Gegenteil. Ich fühlte mich von der Staffelei angezogen wie eine Eisenschraube von einem Magneten. Dort war eine neue Leinwand hingestellt worden, und dann war irgendwann mitten in der Nacht - vielleicht während Elizabeth starb, vielleicht während Pam und ich uns zum letzten Mal liebten, vielleicht während ich neben ihr schlief - ein Finger in meine Farbe getaucht worden. Wessen Finger? Das wusste ich nicht. In welche Farbe? Das war offensichtlich: Rot. Die Buchstaben, die sich quer über die Leinwand zogen und stolperten und tropften, waren rot . Und anklagend. Sie schienen fast zu schreien.

    VIII »Fundkunst«, sagte ich mit trockener, rasselnder Stimme, die ich kaum als meine eigene erkannte.
    »Ist es das?«, fragte Wireman.
    »Sicher.« Die Buchstaben schienen vor mir zu tanzen, und ich fuhr mir mit der Hand über die Augen. »Graffitikunst. In der Scoto wären sie davon begeistert.«
    »Mag sein, aber ich find’s eine echt unheimliche Scheiße«, sagte Jack. »Ich hasse es.«
    Das ging mir nicht anders. Und das hier war mein Atelier, verdammt noch mal, meines. Ich hatte einen Mietvertrag. Ich riss die Leinwand von der Staffelei und rechnete einen Augenblick lang damit, dass sie mir die Finger verbrennen würde. Aber das tat sie nicht. Sie war schließlich nur eine Leinwand. Ich stellte sie mit der Bildseite an die Wand. »Besser so?«
    »Allerdings«, sagte Jack, und Wireman nickte. »Edgar … falls diese kleinen Mädchen hier waren... können Geister auf Leinwand

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