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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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konnte sie sehen. Nicht die Details, aber die Figur. Und die leeren, pupillenlosen Perlen, die ihre Augen waren. »Sie war Elizabeth’ Belohnung, ihr fairer Bergelohn, und sobald sie aus dem Wasser heraus war, hat sie wirklich losgelegt.«
    Jack sprach sehr leise. »Woher kann so was überhaupt gekommen sein, Edgar?«
    Mir lag ein Satz aus unbekannter Quelle auf den Lippen, von dem ich nur wusste, dass er nicht von mir war: In jenen Tagen gab es ältere Götter; Könige und Königinnen, das waren sie. Aber ich sagte ihn nicht. Ich wollte nichts davon hören, nicht einmal in diesem gut beleuchteten Raum, deshalb schüttelte ich nur den Kopf.
    »Das weiß ich nicht. Und ich weiß nicht, welche Flagge das Schiff gesetzt hatte, das hier im Sturm vorbeigetrieben und vielleicht auf Kitt Reef leckgeschlagen ist und einen Teil seiner Ladung verloren hat. Ich weiß nicht vieles sicher … aber ich glaube, dass Perse ein eigenes Schiff besitzt, und sobald sie aus dem Wasser heraus war und mit Elizabeth Eastlakes machtvollem Kinderverstand verschmolzen, konnte sie es herbeirufen.«
    »Ein Totenschiff«, sagte Wireman. Sein Gesicht wirkte vor Angst und Staunen geradezu kindlich. Draußen schüttelte ein Windstoß die dichte Bepflanzung des Innenhofs; die Rhododendren nickten mit den Köpfen, und wir konnten das stetige, einschläfernde Geräusch der sich am Strand brechenden Wogen hören. Dieses Brausen hatte ich geliebt, seit ich nach Duma Key gekommen war, und ich liebte es noch immer, aber jetzt ängstigte es mich auch. »Ein Schiff namens... wie? Persephone? «
    »Wie du magst«, sagte ich. »Ich habe mir natürlich überlegt, dass Perse auch gut Elizabeth’ kindliche Aussprache dieses Namens gewesen sein mag. Ist aber nicht wichtig; wir reden hier nicht über griechische Mythologie.Wir reden von etwas, das weit älter und monströser ist. Und hungrig. Das hat es mit Vampiren gemeinsam. Nur hungert es nach Seelen, nicht nach Blut. Zumindest glaube ich das. Elizabeth hatte ihre neue ›Puppe‹ nicht länger als einen Monat, und Gott mag wissen, wie das Leben damals im ersten Heron’s Roost war - aber es kann nicht gut gewesen sein.«
    »Hat Eastlake die silbernen Harpunen damals anfertigen lassen?«, fragte Wireman.
    »Kann ich dir nicht sagen. Es gibt so vieles, was ich nicht weiß, denn mein ganzes Wissen stammt von Elizabeth, die damals fast noch ein Baby war. Ich habe keine Vorstellung davon, was sich in ihrem anderen Leben ereignet hat, denn damals hatte sie schon aufgehört, zu zeichnen und zu malen. Und wenn sie sich an die Zeit erinnerte, in der sie beides getan hat...«
    »Hat sie ihr Bestes getan, um es gleich wieder zu vergessen«, schloss Jack.
    Wireman nickte trübselig. »Gegen Ende zu war sie kurz davor, alles zu vergessen.«
    Ich sagte: »Erinnerst du dich an die Bilder, auf denen alle dieses breite, verrückte Grinsen von Drogensüchtigen auf dem Gesicht haben? Das war Elizabeth’ Versuch, die Welt, an die sie sich erinnerte, neu zu erschaffen. Die Welt vor Perse. Eine glücklichere Welt. In den Tagen, bevor ihre Zwillingsschwestern ertranken, war sie völlig verängstigt, aber sie hat sich davor gefürchtet, etwas zu sagen, weil sie glaubte, es wäre ihre Schuld, dass alle möglichen Dinge schiefgingen.«
    »Was für Dinge?« Das war Jack.
    »Weiß ich nicht genau, aber es gibt eine Zeichnung, auf der ein alter schwarzer Rasenjockey einen Kopfstand macht. Meiner Ansicht nach verkörpert er alles. Ich glaube, dass Elizabeth in jenen letzten Tagen den Eindruck hatte, dass alles auf dem Kopf stand.« Der Rasenjockey hatte noch mehr zu bedeuten - dessen war ich mir fast sicher -, aber ich wusste nicht, was, und dies war vermutlich nicht der richtige Zeitpunkt für Nachforschungen. »Ich glaube, dass die Familie in den Tagen vor und kurz nach Lauras und Tessies Ertrinkungstod in Heron’s Roost fast ein Gefangenendasein gefristet hat.«
    »Und nur Elizabeth wusste, weshalb?«, fragte Wireman.
    »Schwer zu sagen.« Ich zuckte mit den Schultern. »Nan Melda könnte einen Teil davon gewusst haben. Wahrscheinlich wusste sie ein bisschen was.«
    »Wer hat in der Zeit zwischen dem Schatzfund und dem Tod der kleinen Mädchen dort im Haus gelebt?«, fragte Jack.
    Ich dachte darüber nach. »Maria und Hannah dürften nur an ein, zwei Wochenenden aus dem Internat heimgekommen sein, und Eastlake könnte im März und April länger geschäftlich verreist gewesen sein. Bestimmt die ganze Zeit im Haus waren Elizabeth,

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