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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Herrenhaus umgesehen zu haben. Der Boden der Anrichte sieht solide aus und liegt am tiefsten. Kommt, ihr beiden, wir stapeln etwas von dem Scheiß hier auf, damit wir darauf stehen können. Ein paar dieser Balken müssten reichten. Jack, du kannst als Erster raufklettern und mir dann helfen. Anschließend ziehen wir Edgar gemeinsam rauf.«
    Und genauso machten wir es: Schmutzig, zerzaust und außer Atem kletterten wir erst in die Anrichte und gelangten von dort ins Haus, wo wir uns staunend umsahen und uns fühlten wie Zeitreisende … Touristen in einer Welt, die vor über achtzig Jahren untergegangen war.

18
    Noveen
    I Das Haus stank nach verrottendem Holz, altem Verputz und schimmeligen Stoffen. Dazu kam noch ein alles überlagernder Grüngeruch. Teile der Einrichtung waren noch vorhanden - im Lauf der Zeit erodiert und von Feuchtigkeit verzogen -, aber die schöne alte Tapete im Salon hing in Fetzen herab, und an der Decke der verfallenden Eingangshalle hing ein riesiges Papiernest, uralt und stumm. Darunter bildeten tote Wespen einen fußhohen Hügel auf den krumm gewordenen Zypressendielen des Fußbodens. Irgendwo in den kümmerlichen Überresten der Obergeschosse tropfte Wasser, ein einzelner Tropfen nach dem anderen.
    »Das Zypressen- und Redwoodholz aus diesem Haus wäre ein Vermögen wert gewesen, wenn jemand es geholt hätte, bevor es zum Teufel gegangen ist«, sagte Jack. Er bückte sich, ergriff das hervorstehende Ende einer Bodendiele und ruckte daran. Sie löste sich, ließ sich fast biegen wie Toffee und brach dann ab - nicht laut krachend, sondern mit einem lustlosen dumpfen Knacksen. Aus der rechteckigen Öffnung darunter kamen ohne erkennbare Hast ein paar Kellerasseln hervor. Der aufsteigende Geruch war modrig und trübe.
    »Kein Herumgestöber, kein Versuch, irgendwas Wertvolles zu bergen, und niemand, der hier ausgelassen gefeiert hat«, sagte Wireman. »Keine liegen gelassenen Kondome oder Schlüpfer, kein einziges an die Wand gesprühtes JOE LIEBT DEBBIE. Ich glaube nicht, dass jemand in diesem Haus war, seit John die Tür mit einer Kette gesichert hat und davongefahren ist. Ich weiß, dass das schwer zu glauben ist...«
    »Nein«, sagte ich. »Das alte Heron’s Roost an diesem Ende der Insel gehört Perse seit 1927. Das hat auch John gewusst, und mit seinem Testament har er dafür gesorgt, dass es so blieb. Elizabeth hat das Gleiche getan. Aber das hier ist kein Schrein.« Ich warf einen Blick in den Raum gegenüber dem Salon, vielleicht das ehemalige Arbeitszimmer. Ein alter Schreibtisch mit Rollverschluss stand in einer Lache aus stinkendem Wasser. An den Wänden standen Bücherregale, aber sie waren leer. »Es ist ein Grab.«
    »Wo suchen wir also nach den Zeichnungen?«, fragte Jack.
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Ich weiß nicht mal …« Auf der Schwelle lag ein Gipsbrocken, dem ich einen Tritt versetzte. Ich wollte ihn wegfliegen lassen, aber er war zu alt und feucht; er zerfiel nur. »Eigentlich glaube ich nicht, dass es überhaupt noch weitere Zeichnungen gibt . Nicht mehr, seit ich diese Bruchbude gesehen habe.«
    Ich sah mich nochmals um, roch den feuchten Modergestank.
    »Vielleicht hast du recht, aber ich traue dir nicht«, sagte Wireman. »Weil du Kummer hast, muchacho . Und das macht einen Mann müde. Du hörst auf die Stimme der Erfahrung.«
    Jack ging ins Arbeitszimmer, wo er über feuchte Dielen quietschte, um an den alten Schreibtisch heranzukommen. Ein Wassertropfen platschte auf den Schirm seiner Mütze, und er blickte auf. »Die Decke bricht allmählich ein«, sagte er. »Dort oben hat’s mindestens eine Toilette gegeben, vielleicht auch zwei, und damals vielleicht eine Zisterne für Regenwasser auf dem Dach. Ich sehe ein herunterhängendes Wasserrohr. Irgendwann kommt die ganze Decke runter, und dann ist Schluss mit diesem Schreibtisch.«
    »Pass du nur auf, dass nicht mit dir Schluss ist, Jack«, sagte Wireman.
    »Im Augenblick macht mir eher der Fußboden Sorgen«, erwiderte er. »Fühlt sich verdammt glitschig an.«
    »Dann komm zurück«, sagte ich.
    »Augenblick noch. Ich will nur erst hier drin nachsehen.«
    Er zog eine Schublade nach der anderen heraus. »Nichts«, sagte er. »Nichts... wieder nichts... nichts...« Er machte eine Pause. »Hier liegt etwas. Eine Nachricht. Handgeschrieben.«
    »Lass mal sehen«, sagte Wireman.
    Jack brachte sie ihm und machte große vorsichtige Schritte, bis er den nassen Teil des Fußbodens hinter sich hatte. Ich las über

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