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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und sahen einen Reiher auf der Einfahrt landen. Er konnte der Vogel sein, der mich vom Tennisplatz des Palacio so kalt betrachtet hatte. Sein Blick war jedenfalls identisch: blau, scharf und ohne das geringste Mitleid.
    »Ist er real?«, fragte Wireman. »Was meinst du, Edgar?«
    »Er ist real«, sagte ich.
    »Woher weißt du das?«
    Ich hätte darauf hinweisen können, dass der Reiher einen Schatten warf, aber vielleicht hatte das auch der Rasenjockey getan; ich war zu verblüfft gewesen, um darauf zu achten. »Ich weiß es einfach. Kommt, wir gehen rein. Und spart euch die Mühe, anzuklopfen. Das hier ist kein Höflichkeitsbesuch.«
     
     
     
     
     
     
    XIII »Äh, das könnte vielleicht ein Problem sein«, sagte Jack.
    Hinter herabhängendem Louisianamoos lag die Veranda in tiefem Schatten, aber sobald unsere Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, konnten wir die massive rostige Kette sehen, die um die beiden Türflügel geschlungen war. Gesichert war sie gleich mit zwei Vorhängeschlössern. Die Kette führte durch Ösen an beiden Türpfosten.
    Wireman trat vor, um sich die Kette anzusehen. »Weißt du«, sagte er, »vielleicht können Jack und ich eine oder sogar beide Ösen glatt absprengen. Die haben schon bessere Tage gesehen.«
    »Bessere Jahre «, sagte Jack.
    »Schon möglich«, sagte ich, »aber die Tür selbst ist bestimmt abgeschlossen, und wenn ihr mit Ketten rasselt und Ösen absprengt, schreckt ihr die Nachbarn auf.«
    »Nachbarn?«, fragte Wireman.
    Ich deutete senkrecht nach oben. Wireman und Jack folgten meinem Zeigefinger und sahen, was ich bereits entdeckt hatte: eine große Kolonie brauner Fledermäuse, die so dicht gedrängt schliefen, dass es aussah wie eine riesige Spinnwebe. Ich blickte nach unten und stellte fest, dass die Veranda nicht nur mit Guano übersät, sondern regelrecht damit beschichtet war. Nun war ich besonders froh, dass ich eine Mütze trug.
    Als ich wieder aufsah, stand Jack Cantori am Fuß der Treppe. »Nicht mit mir, Baby«, sagte er. »Nenn mich einen Feigling, nenn mich ein Weichei, nenn mich, was du willst, aber ich gehe dort nicht rein. Bei Wireman sind’s Schlangen. Bei mir sind’s Fledermäuse. Einmal...« Es schien, als wollte er noch mehr sagen haben, vielleicht sogar jede Menge, wüsste aber nicht, wie. Stattdessen machte er einen weiteren Schritt rückwärts. Ich hatte einen Augenblick Zeit, über die Exzentrizität der Angst nachzudenken: Was dem unheimlichen Jockey nicht gelungen war (er war nahe daran gewesen, aber das zählt nur beim Hufeisenwerfen), hatte eine Fledermauskolonie geschafft. Zumindest bei Jack.
    Wireman sagte: »Sie können Tollwut übertragen, muchacho - hast du das gewusst?«
    Ich nickte. »Ich denke, wir sollten uns nach dem Lieferanteneingang umsehen.«
     
     
     
     
     
     
    XIV Wir arbeiteten uns langsam ums Haus herum vor, Jack mit dem roten Picknickkorb vorneweg. Sein Hemd hatte dunkle Schweißflecken, aber die Übelkeit schien vollkommen überstanden zu sein. Dabei hätte ihm eigentlich übel sein sollen; uns allen hätte eigentlich übel sein sollen. Der Gestank des Pools war fast überwältigend. Hüfthohes Gras schlug raschelnd gegen unsere Hosenbeine; steife Geigenholzstiele stachen nach unseren Knöcheln. Es gab Fenster, aber wenn Jack nicht versuchen wollte, auf Wiremans Schultern zu stehen, waren sie alle viel zu hoch.
    »Wie spät ist es?«, schnaufte Jack.
    »Spät genug, dass du dich etwas beeilen solltest, amigo «, sagte Wireman. »Soll ich dir den Korb mal wieder abnehmen?«
    »Gute Idee«, höhnte Jack, der zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, wirklich übel gelaunt zu sein schien. »Dann kannst du einen Herzanfall kriegen, und der Boss und ich können ausprobieren, wie gut wir in Wiederbelebungsmaßnahmen sind.«
    »Willst du etwa andeuten, dass ich nicht in Form bin?«
    »In Form schon, aber meiner Schätzung nach trotzdem mit fünfzig Pfund in der Infarktgefahrenzone.«
    »Schluss damit«, sagte ich. »Alle beide.«
    »Stell ihn ab, mein Sohn«, sagte Wireman. »Stell diesen cesto de puta madre ab, dann trage ich ihn weiter.«
    »Nein. Vergiss es.«
    Aus den Augenwinkeln heraus sah ich etwas Schwarzes sich bewegen. Fast hätte ich es nicht weiter beachtet. Weil ich dachte, es wäre wieder der Rasenjockey, der diesmal den Pool entlangflitzte. Oder über seine von Insekten wimmelnde, übel riechende Oberfläche huschte. Zum Glück wollte ich mich dann doch vergewissern.
    Wireman funkelte inzwischen Jack

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