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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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an. Seine Männlichkeit war infrage gestellt worden. »Ich will dich ablösen.«
    Ein Stück der ekligen Oberfläche des Beckens war zum Leben erwacht. Es löste sich aus der Schwärze, plumpste auf den rissigen, mit Unkraut durchsetzten Beckenrand aus Beton und spritzte mit einer schmutzigen Sprengwolke aus schlammigem Wasser um sich.
    »Nein, Wireman, ich hab ihn.«
    Ein Stück Ekligkeit mit Augen.
    »Jack, ich sag’s dir zum letzten Mal.«
    Dann sah ich den Schwanz und erkannte, was ich vor mir hatte.
    »Und ich sage dir ...«
    »Wireman«, rief ich und packte ihn an der Schulter.
    » Nein, Edgar, ich schaffe das.«
    Ich schaffe das. Wie diese Worte in meinem Kopf widerhallten! Ich zwang mich dazu, langsam, laut und nachdrücklich zu sprechen.
    »Wireman, halt die Klappe. Und pass auf, ein Alligator! Er ist eben aus dem Pool gekommen.«
    Wireman hatte Angst vor Schlangen. Jack hatte Angst vor Fledermäusen. Ich hätte nie geahnt, dass ich Angst vor Alligatoren hatte, bis ich sah, wie dieser Klumpen aus prähistorischer Finsternis sich aus der fauligen Brühe in dem alten Pool löste und auf uns losging, erst über den mit Unkraut übersäten Beton (wobei er den letzen noch existierenden, umgekippten Liegestuhl zur Seite fegte), dann durch das Unkraut selbst und die von den nächsten Brasilianischen Pfefferbäumen herab ausgreifenden Ranken. Ich erhaschte einen Blick auf eine Schnauze mit hochgezogenen Lefzen und ein schwarzes Auge, das sich schloss, als würde das Vieh mir zublinzeln, dann ragte nur noch sein nasser Rücken hier und da durch die zitternde Vegetation auf - wie ein zu drei Vierteln untergetauchtes U-Boot. Er griff uns an, und nachdem ich Wireman gewarnt hatte, war ich zu nichts mehr imstande. Graue Schleier trübten meinen Blick. Ich lehnte mich an die verzogene alte Bretterverschalung von Heron’s Roost. Die Bretter waren warm. Ich lehnte dort und wartete darauf, von dem dreieinhalb Meter langen Ungeheuer, das in John Eastlakes ehemaligem Swimmingpool lebte, gefressen zu werden.
    Wireman zögerte keine Sekunde lang. Er riss Jack den Korb aus den Händen, stellte ihn ab, kniete sich daneben und klappte eine Deckelhälfte auf. Er griff hinein und brachte die größte Pistole zum Vorschein, die ich außer im Film jemals gesehen hatte. Wireman kniete im hohen Gras vor dem offenen Picknickkorb und hielt die Pistole mit beiden Händen umklammert. Ich konnte sein Gesicht gut beobachten und fand - und finde noch heute -, dass es völlig entspannt wirkte, vor allem für einen Mann, der sich etwas gegenübersah, das man auch als überdimensionierte Schlange betrachten konnte. Er wartete.
    »Schieß doch!«, kreischte Jack.
    Wireman wartete. Und hinter ihm sah ich den Reiher. Er schwebte über dem lang gestreckten zugewachsenen Nebengebäude hinter dem Tennisplatz. Er flog auf dem Rücken.
    »Wireman!«, sagte ich. »Entsichern!«
    »Caray«, murmelte er und betätigte etwas mit dem Daumen. Der rote Punkt oben am Griff der Pistole verschwand. Wireman beobachtete aufmerksam das hohe Gras, das jetzt zu zittern begonnen hatte. Dann teilte es sich, und der Alligator ging auf ihn los. Ich kannte diese Tiere aus dem Discovery Channel und Sonderheften des National Geographic , aber nichts hatte mich darauf vorbereitet, wie schnell dieses Tier auf seinen Stummelbeinen war. Das Gras hatte den größten Teil des Schlamms von seinem angedeuteten Gesicht gewischt, und ich konnte sein ungeheures Grinsen sehen.
    »Jetzt!«, schrie Jack.
    Wireman drückte ab. Der Knall war gewaltig - er rollte davon wie etwas Festes, wie etwas aus Stein -, und die Wirkung war nicht geringer. Die obere Hälfte des Alligatorschädels explodierte in einer Wolke aus Schlamm, Blut und Fleisch. Das machte ihn nicht langsamer; seine Stummelbeine schienen sich im Gegenteil noch rascher zu bewegen, als er die letzten zehn bis zwölf Meter zurücklegte. Ich konnte hören, wie das Gras an seine gepanzerten Flanken peitschte.
    Der Rückstoß riss die Pistolenmündung hoch. Wireman versuchte nicht, diese Bewegung zu bremsen. Eine solche Ruhe hatte ich noch niemals erlebt, und sie erstaunt mich noch immer. Als die Mündung in die Waagrechte zurückkehrte, war der Alligator keine fünf Meter mehr entfernt. Wireman schoss erneut, und die zweite Kugel riss das Ungeheuer hoch, sodass sein grünlich weißer Bauch zu sehen war. Einen Augenblick lang schien es auf seinem Schwanz zu tanzen wie ein fröhlicher Alligator in einem Disney-Cartoon.
    »Jaaa, du

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