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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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Gelegenheit hatten, sie umzusetzen, ist das nicht immer hilfreich.«
    Vorwarnungen seitens der bayerischen Justiz haben in politischen Fällen Tradition. Holger Pfahls wurde vorgewarnt, als eine Durchsuchung seiner Villa am Tegernsee bevorstand – das sagte ein Augsburger Oberstaatsanwalt vor dem Schreiber-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags aus. Pfahls wurde später nochmals vorgewarnt, als er verhaftet werden sollte, und konnte flüchten. Eduard Zwick wurde, wie Steuerbeamte vor dem Zwick-Untersuchungsausschuss erklärten, durch ein Telex des Justizministeriums über bevorstehende Durchsuchungen der Steuerfahndung und der Staatsanwaltschaft informiert. Später wurde Zwick auf Anregung des Amtschefs des Justizministeriums, Wolfgang Held, vor einem möglichen Haftbefehl der hessischen Staatsanwaltschaft gewarnt, wie einem Aktenvermerk der Staatskanzlei zu entnehmen war. Zornig konfrontierte der Augsburger Leitende Oberstaatsanwalt Jörg Hillinger Held 1999 mit dem Vorwurf der Vorwarnung in drei Fällen. Es ist zu vermuten, dass Max Strauß ebenfalls vor einer Durchsuchungsaktion der Augsburger Staatsanwaltschaft gewarnt wurde. Er wies dann seinerseits die Ehefrau des Staatssekretärs Erich Riedl auf eine Durchsuchung hin, wenn auch grundlos.
    Von der Existenz ungewöhnlicher Berichtswege zeugt auch ein anderer, bekannter Vorfall. 2011 suchte ein Münchner Oberstaatsanwalt den Gaddafi-Sohn Saif al-Arab auf, um diesen vor einer bevorstehenden Durchsuchung seiner Wohnräume zu warnen. Diese Vorwarnung hatte er zweifellos auf Weisung »von oben« unternommen. Das war der »Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger« denn doch zu viel, sie erstattete Strafanzeige. Die Justizministerin konnte nun nicht mehr umhin, ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen den Oberstaatsanwalt hinzunehmen. Was war das Motiv für die Vorwarnung und auch für andere Hinweise auf eine Vorzugsbehandlung des Diktatorensprosses durch bayerische Staatsbedienstete gewesen? Befürchtete man, die Gaddafi-Seite würde sich sonst mit Enthüllungen über Waffengeschäfte aus Strauß-Zeiten revanchieren?
    Selbstverständlich wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Oberstaatsanwalt eingestellt.
    Jetzt also wiederum eine Vorwarnung. Warum eigentlich erbrachte der Staatsanwalt Lutz seine »Serviceleistung« nicht in der Weise, dass er die Geschwister Strauß über Burkhard K.s Aussage schriftlich informierte? Warum zog er das Telefon vor? Und warum hielt er nicht wenigstens in der Ermittlungsakte fest, was er Franz Georg Strauß mitgeteilt hatte? Denn die Ermittlungsakte ist eine rechtlich maßgebliche Dokumentation des Verfahrensablaufs. Zudem hat ein Beschuldigter das Recht, über seinen Anwalt Akteneinsicht zu nehmen. Dieses Recht wird jedoch vereitelt, wenn die Staatsanwaltschaft Gespräche mit Verfahrensbeteiligten nicht in die Akte aufnimmt.
    Die Ungeniertheit, mit der die Verantwortlichen der Justiz hier vorgingen, ließ den Schluss zu, dass sie Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung mitunter als persönliche Dispositionsmasse betrachteten. In meinem Buch hatte ich angeprangert, dass der Generalstaatsanwalt Hermann Froschauer vor dem Schreiber-Untersuchungsausschuss des Landtags, der sich mit den strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Waffenhändler Karlheinz Schreiber, den früheren Rüstungsstaatssekretär Holger Pfahls, Max Strauß und andere befasste, sich gegen die ihm von Staatsanwalt Winfried Maier vorgeworfenen rechtswidrigen Eingriffe wie folgt gerechtfertigt hatte: »Die Staatsanwaltschaft hat auch politische Strebungen, Erwünschtheiten, bessere Verträglichkeiten, einzubeziehen.« Das war ein unglaubliches Geständnis über fortwährende Vorzugsbehandlung bis hin zum Verdacht der Rechtsbeugung. Denn selbstverständlich hat die Staatsanwaltschaft allein nach Recht und Gesetz zu verfahren und nicht nach politischen Vorgaben. Gleichwohl hatten sich damals weder Ministerpräsident Stoiber noch Justizminister Weiß von Froschauer distanziert. Nun musste ich erkennen: Es geht unter Seehofer und Merk alles so weiter wie bisher! Man fühlte sich da oben sicher, weil man den Justizapparat selbst befehligte.
    Flucht zur Staatsanwaltschaft Bochum
    Was tun angesichts der Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen aufnahm? Die Frage war drängend, weil andererseits das Ermittlungsverfahren gegen mich ohne jede Hemmung weiter vorangetrieben wurde. Da hatte mein Anwalt

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