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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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auf. Ohne den Zeugen zu nennen, las mein Verteidiger ihm das Protokoll der Aussage von Burkhard K. vor, das er anonymisiert und verkürzt hatte. Lutz zeigte sich erstaunt. Doch auf die Frage meines Anwalts, ob er ihm diese Unterlagen dalassen solle, meinte Lutz, es sei besser, wenn er sie wieder mitnähme! Denn er als Verteidiger müsse letztendlich entscheiden, ob er den Zeugen benenne oder nicht. In Anbetracht der rechtlichen und politischen Bedeutung des Beweismittels war es äußerst befremdlich, welches zurückhaltende Interesse Staatsanwalt Lutz zeigte. Dieser gab meinem Anwalt zu verstehen, dass die Staatsanwaltschaft in politischen Fällen und somit auch in diesem Fall verpflichtet sei, dem Justizministerium zu berichten.
    Nachdem mein Anwalt mich über das Gespräch in Kenntnis gesetzt hatte, gab es nur folgende Konsequenz: Es galt, die Justizministerin Beate Merk persönlich in die Pflicht zu nehmen! So geschah es. Mit Datum vom 10 . August 2010 legte mein Anwalt, ohne Burkhard K. zu nennen, in einem Schreiben von mehr als drei Seiten der Ministerin die Einzelheiten der Aussage dar. Sodann bat er sie, alles Erforderliche zu veranlassen, um einer Verdunkelungsgefahr und der Beseitigung von Vermögen vorzubeugen, vor allem aber Maßnahmen zu treffen, den Zeugen zu schützen. Und er ersuchte sie um ein Gespräch.
    Nun hätte man glauben mögen, dass die Ministerin aufgrund der enormen Bedeutung der Angelegenheit sich sofort zu einer Unterredung bereitgefunden hätte. Doch brüsk ließ sie antworten, zuständig sei die Staatsanwaltschaft, sie habe deshalb die Eingabe an den Leitenden Oberstaatsanwalt München I, Manfred Nötzel, weitergeleitet. Daraufhin bat mein Anwalt diesen mit Brief vom 31 . August 2010 unter Bezug auf die Antwort der Ministerin um ein Gespräch, um mit ihm zu erörtern, »welche Schutzmaßnahmen für den Zeugen ergriffen werden könnten«. Aber auch Nötzel war zu einem Gespräch nicht bereit! Er ließ eine Oberstaatsanwältin telefonisch ausrichten, Staatsanwalt Lutz sei in Urlaub und werde sich nach seiner Rückkehr melden.
    Es war eindrucksvoll, wie desinteressiert sich die Herrschaften von der Justiz an der Aussage des Zeugen zeigten. Aber es sollte noch krasser kommen. Staatsanwalt Lutz hatte, wie erwähnt, die anonymisierten Schriftstücke mit der Zeugenaussage von meinem Anwalt nicht entgegennehmen wollen. Auf meine Bitte hin schickte dieser sie ihm daraufhin mit der Post zu. Wie angekündigt, meldete sich Lutz nach seinem Urlaub. In dem Telefongespräch, das er mit meinem Anwalt führte, kam heraus, dass er inzwischen nichts Besseres zu tun gehabt hatte, als Franz Georg Strauß unverzüglich über die Aussage des Zeugen zu informieren. Es war nicht zu glauben! Damit bestand der Verdacht der Strafvereitelung. Nicht nur ich und mein Anwalt waren konsterniert, auch seine Kollegen, denen er davon erzählte, waren fassungslos. Es sprach viel dafür, dass Lutz auf Weisung »von oben« gehandelt hatte, denn von sich aus wäre er vermutlich nie und nimmer so vorgegangen – schließlich konnte er sich denken, dass der Fall vom Justizministerium überwacht wurde.
    Als mein Anwalt Akteneinsicht beantragte, fand sich ein vom 12 . August 2010 datiertes Schreiben von Staatsanwalt Lutz an Franz Georg Strauß. Er teilte diesem beflissen mit: »Da ich Sie telefonisch nicht erreichen konnte, bitte ich Sie, mich … zurückzurufen. Da Sie zum Vortrag des Verteidigers von Dr. Schlötterer Stellung nehmen sollen, möchte ich Ihnen noch einige Hinweise hierzu geben.« Es war einfach unglaublich: Am 11 . August 2010 , einen Tag vor diesem Schreiben, war der an die Justizministerin gerichtete Schriftsatz meines Anwalts im Justizministerium abgegeben worden, in welchem er sie, wie erwähnt, gebeten hatte, Vorkehrungen gegen Verdunkelungsgefahr und die drohende Beseitigung von Vermögen zu prüfen – stattdessen war sogar eine Vorwarnung erfolgt! Aber damit noch nicht genug: Die Frage meines Anwalts, ob die Staatsanwaltschaft sich jetzt aufgrund der Angaben des Zeugen zu Ermittlungen veranlasst sehe, verneinte Lutz!
    Sein Chef Manfred Nötzel war früher sechs Jahre lang bei der Generalstaatsanwaltschaft, dem Transmissionsriemen des Justizministeriums zu den Staatsanwaltschaften, beschäftigt gewesen. Er hatte dort gelernt, worauf es ankam. In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung hatte er nach seinem Amtsantritt erklärt: »Wenn nächste Ermittlungsschritte publiziert werden, bevor wir

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