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Wahn

Wahn

Titel: Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christof Kessler
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versuchen rauszufinden, was passiert ist. Außerdem«, fügte sie besorgt hinzu, »glaube ich nicht, dass er ansonsten wieder zur Ruhe kommen würde, er ist ganz und gar von der Idee besessen, den Fall aufzuklären.«
    »Seien Sie vorsichtig, die Menschen, mit denen Sie es zu tun haben werden, sind nicht ungefährlich«, sagte ich noch zum Abschied.
    Das frisch getraute Ehepaar fuhr zunächst mit nach Schaprode auf Rügen, um von dort aus die Fähre nach Hiddensee zu nehmen. In Vitte wollten sie überall dorthin gehen, wo Michael mutmaßlich an ihrem geplatzten Hochzeitstag gewesen war, und alle Menschen befragen, mit denen er Kontakt gehabt haben konnte. Sie hatten die Hoffnung, dass sie das Puzzle Stück für Stück zusammensetzen und so die Lücke in Michaels Erinnerungswelt ausfüllen könnten. In Schaprode fuhren sie zum Fähranleger und aßen erst einmal am Kiosk ein Fischbrötchen. Die rotgesichtige Fischerfrau, die die Fischbrötchen aus dem Schalter herausreichte und kassierte, verneinte die Frage, ob er ihr bekannt vorkäme. »Nein, wieso, waren Sie denn schon einmal hier?«, fragte sie etwas verwundert über diese komische Frage.
    »Ich habe eine Erinnerungslücke von einem Tag und möchte gerne wissen, wo ich zu dieser Zeit war«, versuchte Michael zu erklären.
    »Und ich habe ständig eine Erinnerungslücke«, antwortete die Fischbrötchenverkäuferin, »vor allem wenn ich den ganzen Tag Touristen sehe, die dumme Fragen stellen, weil sie nicht wissen, wer sie sind.«
    »Die ist unkooperativ«, sagte Michael zu Gudrun.
    »Was heißt hier unkooperativ?«, ließ sich die Verkäuferin verlauten. »Wer eine dumme Frage stellt, bekommt eine dumme Antwort. Wollen Sie ein Bier zum Brötchen?«
    Nachdem Michael das Bier getrunken hatte, fuhren sie eine schmale Auffahrt zum Privatparkplatz hoch, an dem sie ihr Auto parken wollten. Ein sehr dicker Mann in Jogginghosen und Sandalen trat sofort aus einem der beiden Eingänge des zum Parkplatz zugehörigen Hauses. Sein Gesicht hatte einen tiefvioletten Ton: »Wenn Sie dort parken wollen, müssen Sie erst bezahlen!«, rief er.
    »Ist in Ordnung, wie viel kosten zwei Tage?«, antwortete Michael.
    »Das müssen Sie die Oma fragen, klingeln Sie mal an der anderen Tür hier, die ist die Beste im Rechnen, obwohl sie schon über achtzig ist«, sagte der violette Dicke und verschwand im Haus. Michael und Gudrun gingen daraufhin zu der anderen Eingangstür, klingelten dort und warteten, bis eine ebenfalls sehr korpulente alte Frau, die eine bräunlich-graue Kittelschürze anhatte, die Tür öffnete. »Da sind Sie ja wieder, ich dachte, Sie wollten weiter weg«, sagte sie, als sie Michael sah.
    »Sie kennen mich?«
    »Natürlich kenne ich Sie. Sie waren doch vor Kurzem noch mit Hubert Koch hier, das merkt man sich, der ist doch ein Prominenter, dem gehören die vielen Touristenappartments hier auf der Insel und eine ganze Menge Wohnungen auf Hiddensee.«
    »Ich war mit diesem Hubert Koch zusammen?«
    Die Alte sah Michael misstrauisch an: »Was ist los mit Ihnen? Sind Sie krank? Ich bin zwar fünfundachtzig, aber …«, sie tippte sich auf die Schläfe, »hier oben ist noch alles in Ordnung. Die Gelenke. Ich kann kaum noch gehen, und die Hüfte hier soll raus und eine neue rein. Aber ich sage, in meinem Alter lohnt sich so was nicht mehr. Im Kopf bin ich trotzdem noch wie eine Dreißigjährige. Oder soll ich mir trotzdem die Hüfte noch machen lassen, was meinen Sie?«
    »Leider bin ich kein Arzt, und meine Frau hier ist auch keine Ärztin, ich bin KFZ-Meister und kann Autos reparieren. Also, der Mann, mit dem ich hier war, hieß Hubert Koch, wissen Sie, wo er wohnt?«
    »Das weiß jeder hier, der hat eine richtige Villa in Putbus, da wo früher das Schloss war. Das haben die Sozis zu DDR-Zeiten gesprengt, weil sie Schlösser nicht mochten. Kann man gar nicht verfehlen, wenn Sie an der großen Kreuzung sind, geht es nicht rechts in Richtung Stralsund, sondern nach links und dann wieder rechts.«
    Michael wollte sich umdrehen und zum Auto gehen.
    »Und die Parkgebühren?«, fragte die Alte.
    »Ich zahle für drei Tage, denn wir kommen bestimmt wieder, weil wir noch nach Hiddensee wollen.« Zurück im Auto, frohlockte er. »Das ist die erste konkrete Spur seit Langem, endlich wissen wir, mit wem ich damals von der Insel heruntergekommen bin.«
    »Sollten wir nicht zuerst anrufen, bevor wir bei diesem Herrn Koch mit der Tür ins Haus fallen?«, dämpfte Gudrun seine Euphorie. Sie

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