Wahn
heiraten.«
»Wieso ein Autodieb seine Hochzeit mit dem Verschieben von Luxusautos von Binz in den Ostblock verbinden muss, möchte ich gerne wissen«, sagte der Polizeibeamte scharf.
»Ich bin kein Autodieb, merken Sie sich das!«, rief Michael Bornmeister von seiner Untersuchungsliege aus.
»Sie sind auf dem falschen Dampfer«, mischte sich Dr. Adam in das Gespräch. »Herr Bornmeister hat einen Gedächtnisverlust, ich glaube nicht, dass er etwas mit der Autoschieberei zu tun hat.«
»Von was für einer Autoschieberei reden Sie denn?«, fragte Herr Bornmeister verwundert. »Ich möchte endlich wissen, was hier los ist, ich bin doch nicht verrückt?«
Am Abend kam die sitzengelassene Braut, Gudrun, in Begleitung des Ladenbesitzers Otto in die Klinik. Dieser machte mit seinem Pferdeschwanz, der roten Brille und dem um die Hüfte spannenden Nadelstreifenanzug einen derart mafiösen Eindruck, dass er von dem immer noch herumstreifenden Polizeibeamten voller Misstrauen beäugt wurde.
Gudrun Sandrupp war natürlich angesichts dieser unerwarteten Wendung sehr aufgeregt. Gemeinsam mit ihr betrat ich das Krankenzimmer, in dem Bornmeister untergebracht war. Er lag auf dem Bett und schaute sich im Fernsehen eine Talkshow an. Gudrun blieb unsicher an der Tür stehen und sagte leise: »Hallo Michael.« Er wendete sich ihr zu, nahm die Fernbedienung und schaltete das Programm ab. Dann taxierte er Gudrun mit zusammengezogenen Augenbrauen, offensichtlich brauchte er einige Zeit, um sie richtig einzuordnen. Allmählich hellten sich jedoch seine Gesichtszüge auf und er sagte: »Gudrun, da bist du ja.«
»Herr Bornmeister, hier ist Ihre Lebensgefährtin. Sie hat sich Sorgen um Sie gemacht. Ich bin gespannt, wie viel Sie von der Gedächtnislücke gemeinsam schließen können«, sagte ich und ließ die beiden alleine. Nach und nach kehrte bei Herrn Bornmeister die Erinnerung wieder zurück. Er konnte sich sogar gut an den Rotwein an Bord am Abend vorher erinnern, auch an die bevorstehende Hochzeit, den Ring, den er für Gudrun gekauft hatte, und seinen Gang zum Bäcker. Aber auf welchem Weg er Hiddensee verlassen hatte, ob mit der Fähre oder einem Wasser-Taxi, und wie er in den gestohlenen Wagen gelangt war, das konnte er nicht sagen.
»So sehr ich mir auch das Gehirn zermartere, mir fällt nicht ein, was an diesem Vormittag wirklich passiert ist«, sagte er bei unserem Abschlussgespräch vor seiner Entlassung. »Ich habe eine Sorge«, fügte er hinzu und sah mich eindringlich an: »Ist das der Beginn einer Alzheimer-Krankheit? Sie müssen wissen, mein Vater hat darunter gelitten, und es war fürchterlich. Ich habe vor nichts mehr Angst, als dass ich genauso verblöde wie er, das würde ich auch Gudrun nicht zumuten wollen.«
»Die ganze Sache hat ihn so sehr aus der Bahn geworfen«, sagte Gudrun, »dass er die Hochzeit erst einmal aussetzen möchte, erst will er sicher sein, dass er nicht an Alzheimer leidet.«
»Da kann ich Sie beruhigen«, entgegnete ich. »Für das Vorliegen einer Alzheimer-Demenz haben wir keinerlei Anhaltspunkte. In der Magnetresonanztomographie des Gehirns haben wir keinen Hirnschwund entdeckt, wie er für die Alzheimer-Demenz typisch ist, außerdem wirken Sie auf mich nicht wie ein Demenzkranker. Noch genauer werden wir es wissen, wenn wir die Ergebnisse der Feinanalyse Ihres Nervenwassers vorliegen haben. Bei der Alzheimer-Demenz zerfallen Nervenzellen und es reichern sich Eiweißstoffe im Nervenwasser an, die dort beim Gesunden nicht nachweisbar sind. Zusammen mit der Symptomatik des Patienten und den Ergebnissen der Magnetresonanztomographie lässt sich dann schon relativ sicher aussagen, ob ein Patient an der Alzheimer-Erkrankung leidet oder nicht.«
In der Zwischenzeit gab es mehr Informationen über den Fahrer des gestohlenen Wagens. Es handelte sich um einen 22jährigen Bulgaren, der vor vier Wochen mit einem Touristenvisum nach Deutschland eingereist war. Er verweigerte jede Aussage, über die Rolle von Michael Bornmeister bei dem Autodiebstahl wollte er sich ebenfalls nicht äußern.
Vier Wochen später saß das Ehepaar Michael und Gudrun Bornmeister braun gebrannt und ausgeglichen wieder vor meinem Schreibtisch. Sie hatten, nachdem die Polizei und der Staatsanwalt von Michael Bornmeisters Unschuld überzeugt werden konnten, doch noch geheiratet und waren dann im Rahmen ihrer Hochzeitsreise zur Insel Bornholm gesegelt. Jetzt wirkten sie sehr ausgeruht und entspannt.
»Wir kommen, um mit
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