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Wahnsinn

Titel: Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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konnten. Manchmal, so dachte er, war es auch zu ihrem Besten. Zum Beispiel seine Tochter Ginny:
    Ginny konnte ihre eigene Tochter – seine Enkelin Stephanie – ansehen und alles, was sie wahrnahm, war das fröhliche, einfache, lebenslustige kleine Mädchen, das unter ihresgleichen leider kaum Anschluss fand. Duggan jedoch sah, was fast alle anderen auch sahen: Down-Syndrom. Bei dem Gedanken an das beschwerliche Leben, das sie vor sich hatten, brach es ihm das Herz.
    Ginny dagegen hatte es sich antrainiert, Steph anzusehen, ohne an ihre Diagnose zu denken und sich nur auf das zu konzentrieren, was sie unmittelbar vor sich sah – das fröhliche, lebenslustige kleine Mädchen. Alles andere übersah sie geflissentlich.
    In ihrem Fall war es wahrscheinlich am besten so.
    In Lydia Danses Fall hätte diese Strategie aber womöglich tödlich ausgehen können.
    Sie konnte von Glück sagen, dass sie nochmal davongekommen war.
    Und er würde alles daransetzen, dass sie nicht nochmal in Schwierigkeiten geriet.
    Er bog in den schmalen Schotterweg ein, der zum Haus von Ruth und Harry führte. Er war sich sicher, dass Danse hier war.
    Man konnte über Artie sagen, was man wollte, seine gute alte Mama liebte er über alles.
    Und tatsächlich, im nächsten Moment fiel das Licht seiner Scheinwerfer auf Arthurs großen schwarzen Lincoln.
    Er hielt an, stellte den Motor ab und trat in die sternenlose Nacht hinaus. Hier oben blies ein kühler Wind. Er zog den Reißverschluss seiner Jacke zu.
    Das Haus war dunkel und still.
    Er stieg die Stufen zur Veranda hinauf und sah, wie im Haus ein Licht angeschaltet wurde und die Vorhänge vor dem Wohnzimmerfenster flatterten.
    Er musste nicht erst anklopfen.
    Ruth stand schon an der Tür.
    »Morgen, Ruth.«
    »Morgen, Ralph.«
    Ihr Nachthemd und der Morgenmantel sahen aus, als hätte sie beides irgendwann in den Fünfzigern gekauft und seither jede Nacht getragen.
    Ihr grimmiger, zusammengekniffener Mund verriet ihm, dass sie genau wusste, weshalb er gekommen war. Er sagte es ihr trotzdem.
    »Ich muss mit Arthur reden, Ruth.«
    »Der ist nicht da.«
    »Das da ist aber sein Wagen. Er steht gleich da drüben, Ruth.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Er ist mit Harry weggefahren.«
    »Mit Harry? Um vier Uhr früh?«
    »Genau.«
    »Wissen Sie, wo sie hinwollten?«
    »Nein.«
    Er sah sie an.
    Ruth log, aber es würde nichts bringen, sie darauf hinzuweisen.
    Auch wenn er seine Dienstmarke darauf verwettet hätte, dass Harrys Auto in diesem Augenblick hinter dem Haus stand.
    »Was dagegen, wenn ich reinkomme? Wir könnten uns ein bisschen unterhalten, Sie und ich. Es ist furchtbar kalt hier draußen.«
    »Nichts dagegen. Das heißt, falls du einen Haftbefehl mitgebracht hast. Aber, wie du schon gesagt hast, es ist vier Uhr morgens. Du hast mich aus dem Bett geholt. Wir können morgen reden. Von mir aus können wir jederzeit miteinander reden.«
    Verdammt. Die alte Schachtel kannte ihre Rechte.
    »Ruth, ich würde gerne wissen, ob Ihnen bewusst ist, was heute Nacht in Arthurs Haus vorgefallen ist?«
    »Arthur sagte, sie hätten sich gestritten. Da wollte er die Nacht lieber hier verbringen. Sonst weiß ich von nichts.«
    Er schüttelte den Kopf. Ihm war klar, dass Ruth ganz genau wusste, was passiert war. Sie war längst nicht so ausgekocht wie ihr Sohn. Aber die Familie würde zusammenhalten. Das war zu erwarten gewesen.
    »Das war viel mehr als nur ein Streit, Ruth. Arthur hat seine Frau geschlagen.«
    »Das behauptet sie.«
    »Wie bitte?«
    »Das behauptet sie, habe ich gesagt.«
    »Ja, stimmt. Und sie hat eine Krankenakte und Fotos, um es zu beweisen.«
    »Hat sie vor, Anzeige zu erstatten?«
    »Das weiß ich nicht. Aber ich werde sie nicht davon abhalten.«
    Er ließ das einen Moment lang einsinken. Die Frau blinzelte nicht mal, geriet nicht im Geringsten ins Wanken.
    »Sagen Sie Arthur, dass er sich drauf einstellen soll, morgen früh eine einstweilige Verfügung zu erhalten. Er darf sich seiner Frau oder seinem Sohn unter keinen Umständen nähern, bis die Angelegenheit vollständig aufgeklärt ist. Und ich weise Sie persönlich darauf hin, dass er sich dann besser hier oder in seinem Restaurant aufhält, damit wir ihm die Verfügung ohne Probleme aushändigen können. Haben Sie das verstanden, Ruth?«
    »Hm.«
    »Gut. Einen schönen Tag noch. Tut mir leid, dass ich Sie geweckt habe.«
    Er hörte, wie sie leise die Haustür zumachte, während er die Veranda verließ. Er ging zum Auto zurück,

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