Wahnsinn
will ich nicht. Wegen Robert. Ich will nicht, dass Robert einen verurteilten Straftäter zum Vater hat, und dafür jeden Tag gehänselt wird. Abgesehen davon will ich, dass er später mal aufs College geht und dass Arthur einen Teil der Studiengebühren übernimmt. Das wenigstens ist er uns schuldig. Aber wenn er sein Geschäft verliert, kann er das nicht. Ich will, dass dieses Schwein weiter im Geschäft bleibt. Im Interesse von Robert.«
Er nickte. »Das ist machbar. Und ich verstehe Ihre Gefühle. Aber nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich Sie daran erinnern muss, dass er Sie geschlagen hat, Mrs. Danse. Also haben wir es mit einem weiteren Mann zu tun, der frei herumläuft und jederzeit eine weitere Frau misshandeln kann. Sind Sie sicher, dass Sie das wollen?«
Auf eine gewisse Weise fand sie ihn unfair und war nahe dran, in Tränen auszubrechen. Nein, natürlich wollte sie das nicht! Verdammt, sie wollte es absolut nicht! Sie wollte, dass er seine Strafe bekam, dass er so lange eingesperrt wurde, wie das Gesetz es zuließ.
Doch sie konnte nicht beides haben. Entweder sicherte sie Roberts Zukunft – und seine geistige Gesundheit, die sowieso schon drauf und dran war, zu bröckeln –, oder sie bestand darauf, dass Arthur seine gerechte Strafe erhielt.
Für beides zusammen war auf dieser Welt kein Platz, und da sie nun mal auf dieser Welt lebte, musste sie eine Entscheidung treffen.
Allein die Tatsache, dass man sie überhaupt vor diese Entscheidung stellte, trieb ihr die Tränen in die Augen. Himmel nochmal, das war einfach nicht fair!
»Es tut mir leid«, sagte sie. »Aber mein Entschluss steht fest. Robert geht vor.«
Er nickte erneut. »Wie ich schon sagte: Ich verstehe Sie. Wirklich.«
»Abgesehen davon«, fuhr sie mit bitterer Stimme fort, »bin ich sicher, dass Arthur die ganze Sache mittlerweile sehr leid tut. Wie immer … wenn er die Beherrschung verliert, tut es ihm nachher immer unheimlich leid.«
Er sah sie an.
»Ich will Sie nicht unter Druck setzen, Mrs. Danse, das müssen Sie mir glauben. Doch jetzt haben sie selbst ausgesprochen, worauf ich hinauswollte.«
»Und das wäre?«
»Nur ein Wort. Ein Wort, das Sie gerade selbst benutzt haben.«
Er lehnte sich in seinem Sessel zurück.
»Immer« , sagte er.
13 Besuchsrecht
Januar 1995
Zwei Wochen nach Weihnachten war die Scheidung endlich durch – was nicht daran lag, dass Arthur irgendetwas abgestritten hätte, sondern daran, dass die Mühlen der Justiz um diese Jahreszeit fast vollständig zum Erliegen kamen.
Sie war mit dem Ergebnis der Verhandlungen durchaus zufrieden. Genau wie bei ihrer ersten Scheidung hatte sie nicht auf Unterhaltszahlungen über die Zeit hinaus bestanden, die sie wohl brauchen würde, um wieder in ihren Beruf zurückzukehren. Die Alimente für ihr Kind waren äußerst großzügig bemessen, und sie zweifelte nicht daran, dass Arthur seinen Verpflichtungen pünktlich nachkommen würde.
Wenn ihm überhaupt an irgendwem gelegen war, dann an seinen Eltern – und an seinem Sohn.
An Weihnachten hatte er es mit den Geschenken schon immer übertrieben, doch in diesem Jahr nahm seine Freigiebigkeit geradezu groteske Ausmaße an. Ein neues Fahrrad mit Viergangschaltung. Ein Basketballkorb mit allem Drum und Dran. Rollschuhe. Eine Sega-Genesis-Spielkonsole plus sechs Spiele zu je vierzig Dollar. Dazu ein Fernsehgerät für Roberts Kinderzimmer.
Falls Arthur vorhatte, sich die Zuneigung seines Sohnes zu erkaufen, tat er es in ganz großem Stil. Doch sie machte sich Sorgen, ob Robert am Weihnachtstag wohl zu ihm gehen musste, um sich den ganzen Kram abzuholen. Dieser Tag sollte ganz allein ihnen gehören, dachte sie. Mutter und Sohn, zusammen im einzigen Heim, das er im Leben hatte. Und ausgerechnet dort drängte Arthur sich hinein.
Aber das Umgangsrecht gehörte nun mal zu ihrer Vereinbarung: eine Übernachtung pro Woche, ein Wochenende im Monat sowie ein angemessener Teil der Ferien. Also würde Robert am Nachmittag des vierundzwanzigsten Dezember unter dem Weihnachtsbaum seines Vaters in dessen erst vor kurzem gemieteten Haus sitzen und, im Beisein von Ruth und Harry, die Geschenke auspacken. Und warum auch nicht? Lydia würde ihn an Heiligabend und am Vormittag des ersten Weihnachtstages ganz für sich haben – und das war ja die wirklich weihnachtliche Zeit. Damit würde sie leben können. Und das musste sie auch.
Sie hatte das Haus, die Möbel und ausreichend finanzielle Mittel zugesprochen bekommen, um
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