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Wahnsinn

Titel: Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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die Treppe hinauf.
    »Robert?«
    Sie roch es sofort.
    Er hat in die Hose gemacht.
    Das passierte sonst nie tagsüber.
    »Robert?«
    Sie stellte die Pfanne mit Gemüse ab und folgte ihm.
    Die Badezimmertür war geschlossen. Seine Jacke lag davor auf dem Boden.
    »Robert? Geht es dir gut?«
    Sie hörte ihn weinen. Zur Hölle mit seiner Privatsphäre, dachte sie. Obwohl sie immer darauf geachtet hatte, ihm seinen persönlichen Bereich zu lassen.
    Sie öffnete die Tür.
    Seine schmutzige Hose und Unterhose lagen auf dem Boden. Er saß auf der Toilette.
    Nein. Eigentlich saß er nicht richtig darauf. Er stützte sich mit beiden Händen auf der Schüssel ab, als ob …
    Sie sah ihn an. Tränen strömten über seine Wangen.
    »Es tut so weh«, sagte er.
    … als ob er es nicht aushalten könnte, sich mit seinem ganzen Gewicht hinzusetzen, was …
    Sie spürte, wie sich das Badezimmer um sie herum zu drehen begann und ging vor ihm in die Knie, tastete mit zitternden Händen nach ihm, nach seinen Armen, seinen Beinen, dünn wie die Flügel eines exotischen, eingesperrten Vogels –, und sie wusste nicht, wie sie ihn anfassen sollte.
    … ihm in dieser Haltung unmöglich war. Sie sah die Scheiße an seinen schrecklich dünnen Oberschenkeln herunterlaufen und auf den Boden fallen und es stank furchtbar, abnormal, als wäre etwas Fauliges, Böses in ihm.
    Sie riss eine Handvoll Klopapier von der Rolle und wischte seine Beine und Oberschenkel damit ab. Er weinte jetzt noch stärker, so sehr schämte er sich für das, was er getan hatte. Er stand mit gespreizten Beinen vor ihr, von heftigen Schluchzern geschüttelt. Ist schon gut, mach dir keine Sorgen, sagte sie, das ist nicht schlimm, Schatz, jetzt machen wir dich erst mal sauber. Sie nahm einen nassen Waschlappen aus dem Waschbecken und wischte über seine Haut, spülte den Lappen aus, säuberte zuerst seine Pobacken, drehte ihn dann um, wobei sie seine roten Wangen bemerkte und die ganze Zeit seinen Kot roch, der schlimmer stank als alles andere. Als hätte ihn jemand vergiftet.
    Als sie ihn zwischen den Pobacken berührte, schrie er auf.
    Er zuckte zusammen, schlug nach den Händen, die den Waschlappen hielten. Dann drehte er sich um und rannte in sein Zimmer. Sie hörte, wie er sich aufs Bett fallen ließ und in sein Kopfkissen schluchzte.
    Sie war so erschüttert, dass sie sich am Rand der Toilettenschüssel festhalten musste, um nicht zusammenzuklappen und auf die Badezimmerkacheln zu stürzen.
    Das Badezimmer schien seine Verbindung zum Rest des Universums verloren zu haben.

    Eine furchtbare Gewissheit überkam sie wie ein Eissturm. Eine Gewissheit, die wie ein Krebsgeschwür in ihr wucherte.
    Als hätte ihn jemand vergiftet.
    Ja. Genauso war es.
    Dessen war sie sich gewiss.
    Innerhalb eines einzigen Moments ergab alles einen Sinn. Sie erkannte den teuflischen Plan, die Abartigkeit, die fast die Grenzen ihrer Vorstellungskraft sprengte.
    Die Nervosität. Das Stottern.
    Dass er wieder ins Bett machte.
    Die Alpträume. Kein Wunder, dass er Alpträume hatte.
    Er lebte ja in einem.
    Ihr Baby.
    Sogar die gekrümmte Haltung, wenn er die Knie vor die Brust zog, ergab jetzt einen Sinn. Er wollte ihr damit etwas mitteilen. Er hatte ihr die ganze Zeit etwas mitteilen wollen.
    Wie hatte sie nur so dumm und blind sein können? Wieso hatte sie nicht mitbekommen, dass er sie immer wieder um Hilfe angefleht hatte, Abend für Abend, in der stummen Sprache seines Körpers?
    Aber nein. So etwas war für sie bisher doch undenkbar gewesen. Undenkbar, dass Arthur so etwas tun konnte. Doch jetzt – jetzt war alles möglich.
    Den Hintern in die Luft gestreckt. Den Kopf ins Kissen gedrückt.
    Sie selbst hatte das oft genug erlebt.
    Es war Arthurs Lieblingsstellung.
    Du krankes, feiges, mieses Arschloch, dachte sie.
    Dafür kriege ich dich dran.
    Dafür mache ich dich fertig.
    Das schwöre ich bei Gott.

    Sie richtete sich auf, als sie Robert weinen hörte, stellte fest, dass ihr die Beine wieder gehorchten, und ging zu ihm hinüber, um ihn zu trösten.

    Arthur war weder zu Hause noch bei seinen Eltern.
    Also blieb nur noch das Restaurant.
    Sie hätte ihn anrufen können, doch sie wollte – nein, sie musste – ihm ins Gesicht sehen, wenn sie es ihm sagte. Sie wollte ihm in die Augen blicken, wenn er alles abstritt. Sie wollte sehen, wie er sich wand.
    Sein Lincoln stand vor dem Restaurant. Einen Augenblick lang fragte sie sich, ob sie den Wagen rammen sollte, denn Arthur liebte dieses Auto.

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