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Wahnsinn

Titel: Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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ein guter Mensch war und bereit, herauszukommen, und niemand würde jemals etwas erfahren.

2
Teenager
    Wolfeboro, New Hampshire ∙ Mai 1971
    »Mach schon, Lyd. Du willst es doch.«
    »Ich will überhaupt nicht.«
    »Klar willst du.«
    »Ich will nicht. Fass mich nicht an.«
    »Sieh her, du nimmst ihn einfach in die Hand. Hältst ihn so. Dann drückst du …«
    Das Geräusch war ohrenbetäubend. Die Budweiser-Dose schien von dem Baumstumpf abzuheben wie eine Rakete.
    »Himmel, Martin!«
    »Ist das was? Ist das cool oder nicht? Als mein Dad diesen Film gesehen hat, wollte er unbedingt so einen haben. Ich wette, das Ding könnte einen Elefanten aufhalten. Hier. Versuchs mal.«
    »Ich will aber keinen Elefanten aufhalten.«
    »Mein Dad hätte nichts dagegen.«
    »Dein Dad hätte bestimmt was dagegen. Und das weißt du genau.«
    »Ja? Und wer verrät es ihm?«
    »Können wir nicht einfach reingehen? Mir ist kalt.«
    Das war gelogen. Der Wind wehte kräftig übers Feld, aber es war kein kalter Wind. Es war sogar der erste sonnige Tag nach einem anscheinend nicht enden wollenden Winter, der den Frühling einfach unter sich begraben hatte.
    »Erst wenn du es versucht hast.«
    Sie mochte den Revolver nicht. Den Dirty-Harry- Revolver, wie er ihn nannte. Er war glatt und schön, auf dieselbe Art, wie auch glänzendes, frisch poliertes Silber schön war, aber sie mochte seinen Geruch und den gewaltigen Krach nicht, den er machte, oder wie er sich in seinen Händen aufgebäumt hatte, als wäre er ein lebendiges Wesen, das man nur schwer unter Kontrolle bekam.
    Sie traute dem Revolver nicht.
    Er schoss nochmal. Daneben. Am Boden vor dem Baumstumpf explodierten Sägespäne, und der Einschlag der Kugel ließ zwei Dosen herunterfallen und brachte die anderen zum Tanzen. Trotz des Lärmschutzes klingelten ihre Ohren.
    »Ich sag dir, es wird dir gefallen.«
    Das bezweifelte sie.
    Er gab ihr den Revolver.
    Sie hielt ihn fest. Zugegeben, er hatte seine Reize: Balance, Masse, Glätte, Gewicht.
    »Halt ihn mit beiden Händen fest, so. Du musst die Füße weit auseinanderstellen und dein Gewicht ausbalancieren, okay?«
    Er stand jetzt hinter ihr und hatte die Arme um sie geschlungen. Seine Hände legten sich fest auf ihre.
    Das wenigstens fühlte sich angenehm an.
    »Okay, das Ziel und das Visier müssen eine Linie bilden, dann drückst du den Abzug. Aber pass auf, dass du den Revolver nicht verreißt. Und halt die Ellbogen angewinkelt. Sie hat einen höllischen Rückstoß.«
    » Sie ?«
    Er lachte. »Ja. Sie ist manchmal bockig. Genau wie du.«
    Sie tat, was er gesagt hatte, zielte und drückte ab. Die Waffe war schwer und sie konnte sie kaum ruhig halten. Der Abzug schien sich langsam und gleichmäßig auf sie zuzubewegen. Dann folgten der Knall und der Rückstoß, der an ihren Armen bis zu den Schultern hinaufwanderte.
    »Zu hoch«, sagte er. »Du hast zu hoch geschossen.«
    Wie hoch?, fragte sie sich. Sie stellte sich vor, wie die Kugel eine unendliche Strecke zurücklegte, endlos über das Feld und den Wald und die Straße flog, und was auch immer dahinter lag. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass etwas so Mächtiges einfach aus schierer Trägheit vom Himmel fiel.
    Ihre Kugel konnte womöglich jemanden in der nächsten Ortschaft umbringen.
    Ihr war das alles total egal. Er wollte es unbedingt. Und wieder einmal machte sie mit.
    Er trat wieder hinter sie, nahm ihre Hände in seine und streckte ihre Arme aus.
    »Halt sie weiter von dir weg, Lyd«, sagte er. »Zieh die Ellenbogen etwas an. Dann kannst du sie ruhiger halten.«
    Er drückte sie fest an sich. Sie konnte seinen Penis an ihrem Hintern spüren.
    Sie fühlte sich ein bisschen unwohl dabei, und sie war einigermaßen froh, als er sich wieder von ihr löste. Sie wusste, dass er sich eigentlich nicht von ihr wegbewegen wollte, aber das gehörte zum Spiel, machte ihr klar, dass er vorläufig nicht weiter gehen würde. Zumindest jetzt noch nicht.
    Dieses Spiel kannte sie bereits.
    Die Tatsache, dass sie es kannte, flößte ihr Angst ein und ließ sie plötzlich ein bisschen wütend werden.
    Sie zielte und schoss. Eine Bierdose tanzte taumelnd und funkelnd in der Sonne.
    »He! Ich wusste, du kannst es! Klasse!«
    Sie drehte sich um und schenkte ihm ein Lächeln.
    »Können wir jetzt aufhören?«
    Er lachte. »Klar. Komm, gehen wir rein.«
    Sie gingen den Hügel hinauf, über die verglaste Veranda und den Flur entlang ins Wohnzimmer. Sie dachte einmal mehr, dass das Haus ganz und

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