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Wahnsinn

Titel: Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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gar nicht den Vorstellungen entsprach, die man sich von dem Heim eines Bankpräsidenten machte. Die Möbel waren spartanisch und nicht besonders wertvoll. Billig, um bei der Wahrheit zu bleiben. Sie machten ihr den ziemlich guten Geschmack ihrer Mutter in diesen Dingen bewusst, den sie auch noch nach dem Tod ihres Vaters beibehalten hatte – sie vermutete, dass viele andere Frauen in so einer Situation aufgehört hätten, sich um solche Sachen zu kümmern. Es war jedoch unübersehbar, dass Martins Mutter, die einen Mann hatte, der noch lebte, nichts auf diese Dinge gab.
    »Willst du ein Bier?«
    Er stand auf der anderen Seite des Zimmers und legte eine Platte auf – Rubber Soul von den Beatles. Was in musikalischer Hinsicht für Martins Verhältnisse ausgesprochen gewagt war.
    »Ein Bier ?«
    »Klar. Die werden die paar Flaschen schon nicht vermissen.«
    »Äh, nein, danke.«
    Erst Schusswaffen und dann auch noch Bier.
    Soweit es sie betraf, lief das hier überhaupt nicht gut. Sie fragte sich, wie gut sie diesen Jungen wirklich kannte.
    Sie traf sich erst seit ungefähr dreieinhalb Monaten mit ihm, obwohl sie seine Familie schon seit Jahren kannte. Ihr Vater hatte für seinen Vater gearbeitet. Martins kleiner Bruder war in derselben Schulklasse wie Lydias Schwester Barbara.
    Seine ganze Familie war zur Beerdigung ihres Vaters gekommen.
    Jedenfalls war Martin auf Russell McClouds Beerdigung offenbar zum ersten Mal auf sie aufmerksam geworden. Bei dem Empfang danach hatten sie geredet und geredet. Eigentlich hatte sie am meisten geredet und er schien nichts dagegen gehabt zu haben. Er schien ein ziemlich guter Zuhörer zu sein. Irgendwann hatte sie sogar richtig Dampf abgelassen.
    Auch wenn sie ihm nicht alles erzählt hatte.
    »Du willst ganz sicher keins? Bist du dir absolut und definitiv sicher?«
    »Ich hasse Bier. Eine Pepsi wäre nett.«
    »Kommt sofort.« Er ging in die Küche.
    Paul sang »I’ve Just Seen a Face«. Die Musik ist zu laut, dachte sie. Oder meine Ohren sind noch überreizt von der Schießerei.
    Sie stand von der Couch auf und ging rüber, um die Musik leiser zu stellen. Es war ein brandneuer, hochmoderner Magnavox-Verstärker und sie konnte den Lautstärkeregler unter den vielen anderen Knöpfen zuerst nicht finden, so dass Paul sie weiter auf bezaubernde Weise anplärrte. Sie fand den Regler genau in dem Moment, als der Song endete und John mit »Norwegian Wood« anfing.
    Sie drehte sich um und Martin stand direkt vor ihr, in einer Hand ein Bier und in der anderen eine Pepsi. Sie kam zu einer schnellen Entscheidung.
    »Ich schlag dir einen Handel vor«, sagte sie.
    »Was für einen Handel?«
    Sie schlang ihre Arme um seine Taille und zog ihn zu sich.
    »Du lässt das Bier sein und wir könnten … ähm … du weißt schon.«
    »Ach ja? Was du weißt schon?« Er lachte.
    Sie gab ihm einen Klaps auf die Schulter. »Sei nicht so ein Klugscheißer.«
    Dieser Handel fiel ihr leicht. Es war ganz natürlich für sie. Es gab Mädchen in ihrem Alter, die Dope rauchten, Mädchen, die tranken, und Mädchen, die Sex mit ihren Typen hatten. Sie interessierte sich nur für eins von diesen Dingen.
    Sie mochte, wie sich sein Körper anfühlte. Und sie hasste Bier.
    Der Atem ihres Vaters hatte abends, wenn er zu ihr gekommen war, immer nach Bier gerochen.
    Wenn er zu ihr gekommen war, hatte er immer getrunken.
    Und es war die Trinkerei – das und weil er blöd genug gewesen war, auf einer dunklen Landstraße zu schnell zu fahren –, was ihn umgebracht und sie mit ihrem hässlichen kleinen Geheimnis allein gelassen hatte.
    »Einverstanden«, sagte er. »Was immer du sagst. Kein Bier.«
    Er stellte die Flaschen auf dem Couchtisch ab und küsste sie.
    Ihr Vater hatte sie nie geküsst.
    Wenigstens das war ihr erspart geblieben.
    Aber sie hatte geglaubt, dass sie nach dem, was er getan hatte, nie einen Jungen würde anfassen können, dass sie mit sechzehn für immer mit dem Thema Sex fertig sein würde. Daher war sie überrascht, wie schnell und wie sehr sie Martin begehrt hatte.
    Sie fand, dass er wundervoll anzuschauen und noch wundervoller anzufassen war. Sein Körper war überall fest und warm und glatt. Und wenn er manchmal ein bisschen aufdringlich wurde, so wie gerade mit dem Revolver, und manchmal einfach ein bisschen zu sehr von sich eingenommen war, machte ihr das nichts aus. Männer waren eben so. Und als er sie auf dem Rücksitz des väterlichen Cadillac zum ersten Mal zum Orgasmus gebracht hatte –

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