Wahnsinn
Mrs. Danses konnten mich davon überzeugen, dass es sich im vorliegenden Fall mit absoluter Sicherheit um sexuellen Missbrauch durch einen Erziehungsberechtigten handelt«, sagte der Richter. »Darüber hinaus halte ich Roberts ›Kann sein‹ für keine hinlänglich beweiskräftige Zeugenaussage. Nach meinem Dafürhalten hat sich hier vielmehr ein Problemkind – es wurde ja von allen, die mit Robert gesprochen haben, überzeugend dargelegt, dass er in der Tat so einige Probleme hat – unbeabsichtigt oder sogar mit Absicht auf die beschriebene Art selbst Schaden zugefügt. Ich wäre daher schlecht beraten, vom Gegenteil auszugehen, solange keine weiteren Beweise vorgelegt werden oder solange Robert selbst nicht klarer und deutlicher als bisher darstellt, dass er tatsächlich von seinem Vater missbraucht wurde. Davon abgesehen muss ich leider sagen, dass mich das Verhalten der Mutter vor Gericht sehr bekümmert hat.«
Er sah Lydia an.
»Mrs. Danse, es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass Sie meiner Überzeugung nach in vielfältiger und gravierender Weise gegen Roberts Interessen verstoßen haben. Ihr Verhalten weist deutliche Anzeichen von Hysterie auf, ein Eindruck, dem Sie meiner Auffassung nach zusätzlich Nahrung gegeben haben, indem Sie in die Bar ihres Exmannes gestürmt und ihn dort vor jedem, ob er es nun hören wollte oder nicht, lautstark beschuldigt haben. Aber mehr noch, indem Sie trotz des Fehlens stichhaltiger Beweise auf seiner Schuld beharrten. Um diese Überzeugung weiter zu festigen, haben Sie den armen Jungen an einem einzigen Tag einem Rechtsanwalt, einem Proktologen und einem Psychologen vorgeführt und danach noch einer weiteren Befragung durch Miss Stone ausgesetzt – und das alles aufgrund Ihres paranoiden Verdachts, Mr. Danse könnte Ihrem Sohn irgendetwas angetan haben, etwas, das Robert nicht bestätigen wollte und für das Sie keinerlei konkrete Beweise hatten.
Wenn all das Ihrer Vorstellung von Hilfe für Robert entspricht, dann kann ich Ihre Überzeugung leider nicht teilen. Überdies fürchte ich, dass Sie jederzeit erneut ein derart instabiles Verhalten an den Tag legen könnten.
Schließlich bin ich zutiefst bekümmert und betrübt über Ihre fortgesetzte Weigerung, sich im vorliegenden Fall an die gesetzlichen Bestimmungen zu halten. Offen gestanden muss ich mich fragen, wie Sie den Jungen mit dieser Einstellung erziehen wollen. Ich treffe hier auf viel zu viele Jugendliche, die sich keinen Deut mehr um das Gesetz scheren als Sie. Es ist und war seit jeher Bestandteil des Rechtssystems dieses Landes, den Respekt vor den und die Einhaltung der Gesetze unserer Gesellschaft ungeachtet ihrer Art zu fördern. Und ich würde dieser Verpflichtung in meiner Eigenschaft als Justizbeamter gewiss nicht Genüge tun, wenn ich die Aufrechterhaltung dieser Tradition hier nicht mitberücksichtigen würde.
Infolgedessen und in Anbetracht Ihres bekundeten Widerstandes gegen weiterhin uneingeschränkte Umgangsrechte seitens Mr. Danses und angesichts des Mangels an Beweisen für die gegen ihn vorgebrachten Beschuldigungen übertrage ich das Sorgerecht für das Kind, Robert Danse, an Mr. Danse. Ich erwarte, dass die drei Verteidiger Besuchszeiten für die Mutter vereinbaren und mir diese Vereinbarung dann vorlegen. Mrs. Danse, von Ihnen erwarte ich, dass Sie dieser Anordnung hinsichtlich der Übertragung des Sorgerechts unverzüglich Folge leisten, andernfalls lasse ich Sie wegen Missachtung des Gerichts belangen, darauf können Sie sich verlassen. Die Verhandlung ist geschlossen.«
Der Hammer klang in Arthurs Ohren wie Donnerhall.
Er war wie der Sturmwind. Unaufhaltsam. Der Sturmwind, der sie alle aufwirbeln und wie Herbstlaub zerstreuen würde. Es war besser gelaufen, als er sich es in seinen kühnsten Träumen vorgestellt hatte. Er schüttelte die kühle, glatte Hand seines Anwalts und lächelte.
Nun gehörte sein Sohn wieder ihm.
26
Sinneswandel
»Keine Chance. Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als abzuhauen. Seine Schule ist nur zwei Blocks von hier. Ich hole ihn da ab und dann verschwinden wir.«
Sie gingen über den Parkplatz. Sansom und Andrea Stone hatten Lydia in die Mitte genommen. Es war ein warmer, sonniger Tag, doch Lydias Hände waren eiskalt.
»Das sollten Sie lieber nicht tun, Lydia«, sagte Sansom, »Himmel, man wird Sie festnehmen. Sie wandern ins Gefängnis. Glauben Sie denn, die Gerichte werden Ihnen, was das Sorgerecht für Robert angeht, mit mehr
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