Wahnsinn
über ihre Arbeitszeiten beklagen. Alice konnte wunderbar mit Kranken umgehen. Sofort sprang ihr Mutterinstinkt an und man bekam seine Wünsche praktisch von den Augen abgelesen.
Doch es blieb bei den Wünschen.
Der Verhaftete, mit dem er es momentan zu tun hatte, war ein echtes Prachtexemplar.
Der Typ hieß Elmo Lincoln – seine Mama hatte ihn allen Ernstes nach einem alten Tarzan-Darsteller benannt. Er hatte einen Tante-Emma-Laden an der 3A überfallen, die Registrierkasse ausgeräumt, seine .22er auf den Besitzer gerichtet und ihm befohlen, die Autoschlüssel rauszurücken. Dann war es dem Ladenbesitzer – einem eingeschüchterten Opa von fünfundsechzig Jahren mit Brillengläsern groß wie Radkappen – irgendwie gelungen, den Alarmknopf zu drücken, was Elmo allerdings nicht mitbekommen hatte. Er war stattdessen aus dem Laden marschiert und ins Auto gestiegen.
Erst dann war ihm aufgefallen, dass er gar nicht damit fahren konnte.
Es handelte sich nämlich um einen bis ins Detail und mit viel Liebe restaurierten, auf Hochglanz polierten kirschroten 63er Chevy.
Mit Handschaltung.
Damit konnte Elmo nicht umgehen.
Stocksauer war er in den Laden zurückgerannt und hatte angefangen, den Alten anzuschreien, was zum Henker er mit einem Auto anfangen sollte, das älter war als er selbst. Doch Elmo hatte geahnt, dass der Ladenbesitzer noch ein anderes Auto hatte, ein richtiges Auto, das – verdammte Kacke – irgendwo versteckt war. Also, wo stand die Karre, hatte er gefragt und den Alten aus dem Laden gezerrt, wo er zehn Minuten lang mit seiner Pistole vor der Nase des armen Teufels herumgefuchtelt hatte.
Als Duggan dazukam, warf Elmo dem Streifenwagen nur einen langen Blick zu, ließ die Waffe fallen und zuckte mit den Achseln.
»Ich hätte abhauen können«, meinte er.
Ohne Scheiß, dachte Duggan.
Duggan erledigte den Papierkram, den dieser Schwachkopf ihm aufgehalst hatte, und dachte unter dumpf pochenden Kopfschmerzen über die verblüffende geistige Schlichtheit mancher Krimineller nach – Ich hätte abhauen können –, als das Telefon klingelte.
»Ich habe hier noch eine«, sagte Whoorly.
»Scheiße. Wo?«
»Canaan. Diesmal hat er sie am Straßenrand abgeladen, aber der Gerichtsmediziner meint, dass der Leichenbeschauer vor Ort voll ins Schwarze getroffen hat. Anal und vaginal vergewaltigt. Die Hände von Nägeln durchbohrt. Sie wurde geschlagen, verbrannt …«
»… und mit einem Pflock ins Herz gepfählt.«
»Du sagst es.«
»Dieses Arschloch verwechselt Frauen mit Dracula.«
»Was?«
»Nichts. Steht die Todeszeit schon fest?«
»Letzte Nacht irgendwann zwischen drei und vier Uhr morgens. Willst du die Akte?«
»Und ob ich die Akte will.«
Er legte auf und fragte sich, wo Arthur Danse letzte Nacht wohl gesteckt hatte.
Er fragte sich, wie sein Sorgerechtsprozess lief.
Er fragte sich, ob er womöglich auf irgendjemanden wütend war.
Er heftete den Ordner mit dem großen Elmo-Lincoln-Raubüberfall bis morgen ab und stand auf, um Antworten auf seine Fragen zu finden.
Zuerst sprach er mit dem Justizwachtmeister, dann fuhr er zu Arthur nach Hause.
Arthur war nicht gerade erfreut, ihn zu sehen. Er öffnete die Tür und verdrehte die Augen: »Was gibt’s, Ralph? Ich hatte einen anstrengenden Tag.«
»Für deinen Tag interessiere ich mich nicht, Art. Aber für die Nacht.«
»Was?«
»Erzähl mal, was du letzte Nacht so gemacht hast, Art.«
»Ich bin ins Restaurant gefahren, bin dort bis zehn geblieben und dann wieder heimgefahren, habe ferngesehen und bin dann ins Bett. Wieso?«
»Allein, nehme ich an.«
»Ich fürchte ja.«
Duggan spähte in den Flur. Soweit er sehen konnte, war die Wohnung makellos aufgeräumt und beinahe spartanisch eingerichtet.
»Wie wär’s, wenn du mich kurz auf eine Tasse Kaffee reinbittest? Ich könnt ’nen Kaffee gebrauchen.«
»Ein andermal, Ralph. Wie ich schon sagte, hatte ich einen höllisch anstrengenden Tag.«
»Klar. Wie läuft der Prozess?«
»Gut.«
»Das muss dich doch richtig sauer machen, oder?«
»Sauer auf was?«
»Na ja, auf deine Frau. Wie hieß sie noch? Lydia. Teufel nochmal, auf Frauen im Allgemeinen. Ich wär bestimmt stinksauer.«
»Es kommt vor allem drauf an, dass ich gewinne.«
»Glaubst du denn, dass du gewinnst?«
»Mein Anwalt meint, ja.«
Duggan lächelte. »Dir ist bestimmt klar, dass ihr Anwalt dasselbe sagt. Das machen Anwälte immer.«
»Natürlich. Ich muss jetzt, Ralph. Wirklich. Ich muss nochmal ins
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