Wahnsinn
mein Exmann ein Vergewaltiger ist«, antwortete sie.
Wood machte ein entsetztes Gesicht. Er gab eine melodramatische Schmierenkomödie für den Richter zum Besten, aber sie erkannte, dass er ihr damit womöglich einen Ausweg wies. Vielleicht konnte sie ihn zur Abwechslung mal aus dem Konzept bringen.
»Gefällt Ihnen der Begriff nicht, Mr. Wood?«, fragte sie. »Vielleicht behagt es Ihnen mehr, wenn ich Arthur ›moralisch beeinträchtigt‹ nenne?«
»Das ist keine Antwort, Euer Ehren.«
»Beantworten Sie bitte die Frage, Mrs. Danse«, sagte Burke.
Es hatte nicht geklappt. Sie musste sich einen anderen Ausweg freikämpfen. Sie brauchte Zeit.
Denk nach.
»Es tut mir leid, Euer Ehren. Wie war die Frage nochmal?«
»Wie würden Sie zu uneingeschränktem Umgangsrecht für Arthur Danse stehen, falls das Gericht zu einer dementsprechenden Entscheidung gelangen sollte?«, wollte Wood wissen.
»Ich wäre der Auffassung, dass ihm dieses Recht nicht zusteht und dass das Gericht so etwas unter gar keinen Umständen zulassen sollte.«
»Und wenn das doch der Fall sein sollte, Mrs. Danse?«
»Ich glaube nicht, dass es so weit kommt, Mr. Wood.«
»Und wenn doch?«
»Mr. Wood bedrängt die Zeugin, Euer Ehren!«, rief Sansom.
»Einspruch abgewiesen. Die Zeugin soll bitte antworten.«
Reiß dich zusammen, dachte sie. Du musst ihm die Kontrolle entreißen. Du musst ihm das Heft aus der Hand nehmen. Nur einmal noch. Sie kochte innerlich vor Wut, stand kurz vor der Explosion. Mach es dir zunutze, aber reiß dich zusammen. Lass den Hurensohn bloß nicht damit durchkommen.
»Sie fragen mich, Mr. Wood«, sagte sie, »ob ich eine Anordnung akzeptieren könnte, die einem Kinderschänder und Vergewaltiger uneingeschränkten Zugriff auf einen acht Jahre alten Jungen geben würde, der zufällig auch noch mein eigener Sohn ist, richtig? Ich verstehe das nicht. Aus welchem Grund sollten Sie so etwas tun?«
Er lächelte, als wollte er gar nicht schlecht sagen, reagierte jedoch sofort, indem er dramatisch seufzte.
»Mrs. Danse, Ihr Exmann, mein Mandant, ist erst dann ein Vergewaltiger, wenn das Gericht feststellt, dass er ein Vergewaltiger ist. Sind Sie darüber nicht von Anfang an umfassend in Kenntnis gesetzt worden?«
»Schon. Aber die sexuellen Vorlieben Ihres Mandanten müssten Ihnen doch mittlerweile bekannt sein, oder etwa nicht?«
Wood wandte sich beschwörend und mit weit ausgebreiteten Armen der Richterbank zu. »Euer Ehren …«
Burke beugte sich zu ihr hinunter.
»Mrs. Danse«, sagte er, »es geht hier einzig und allein um die Frage, ob Sie Recht und Gesetz achten oder nicht. Mr. Wood versucht festzustellen, ob Sie als Bürgerin dieses Bezirks und dieses Bundesstaates gewillt sind, sich an seine Gesetze zu halten, was auch immer Ihnen diese Gesetze auferlegen. Es geht momentan nicht um die Frage, was Mr. Danse Ihrem Sohn angetan hat oder nicht. Auch nicht um seine Schuld oder Unschuld. Es geht allein um diese eine Frage. Daher verlange ich von Ihnen, dass Sie Mr. Woods Frage jetzt mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten: Würden Sie sich jedem Urteil fügen, zu dem dieses Gericht in dieser Angelegenheit möglicherweise gelangt, wie auch immer dieses Urteil am Ende ausfallen könnte?«
Du wirst jetzt nicht zu schreien anfangen, dachte sie – auch wenn Sie aus Frustration kurz davorstand. Und du wirst auch nicht zu heulen anfangen. Sie sah Owen Sansom an. Sie fand, dass sie noch nie einen derart erschöpften Mann gesehen hatte, und bestimmt auch noch nie einen Rechtsanwalt von so trauriger Gestalt.
Dann sah sie Andrea Stone an. Ihre Augen wirkten zugleich hart und wütend und mitfühlend – wütend über die Ungerechtigkeit und mitfühlend angesichts der Ausweglosigkeit ihrer Lage.
Sie straffte sich.
Wenn sie das hier vermasselte, wenn sie am Ende verloren, musste sie eben eine andere Lösung finden.
»Nicht, wenn Robert dabei zu Schaden kommt«, sagte sie. Ihre Stimme war klar und ungebrochen.
»Nein, Euer Ehren. Nicht, wenn mein Sohn dabei zu Schaden kommt.«
24
Verhinderte und echte Kriminelle
Die Uhr zeigte Viertel vor sechs. Duggan wurde von Kopfschmerzen geplagt, denen mit Aspirin allein nicht beizukommen war. Schon vor einer Stunde hatte er nach Hause gehen wollen, wo er sich im Wohnzimmer aufs Sofa gelegt hätte, während Alice ihn bemutterte und ihn mit heißen Umschlägen und Tee versorgte. Sie würde ihm nicht mit Hypothekenrückständen in den Ohren liegen. Sie würde sich nicht
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