Wahnsinn
zugibt, dass Arthur ihn bedroht hat, würde das momentan bloß wie Nötigung Ihrerseits aussehen. Als würden Sie ihn unter Druck setzen. Andrea Stone ist bereits dort, um seine Aussage aufzunehmen und anschließend Richter Burke vorzulegen. Warten wir erst mal ab, was dabei herauskommt. Ich mache mir wegen dem, was er jetzt sagt, keine allzu großen Sorgen – die Videoaufzeichnung ist nach wie vor ziemlich überzeugend. Burke wird das Band wohl oder übel zur Kenntnis nehmen müssen. Die Befragungen wurden von erfahrenen Polizisten durchgeführt. Dessen ist sich Burke bewusst.«
»Aber was soll ich denn jetzt machen? Soll ich hier rumsitzen und das Beste hoffen und beten, dass er der ersten Aussage meines Sohnes mehr glaubt als der zweiten? Himmelherrgott nochmal!«
Sie spürte Cindys Hand auf ihrer Schulter. Erst da bemerkte sie, dass sie am ganzen Leib zitterte.
»Mir gefällt das so wenig wie Ihnen, ehrlich. Nur …«
»Arthur hält sich nicht an die Spielregeln. Warum zum Teufel müssen wir uns da an die Regeln halten?«
Sie hörte, wie er seufzte. »Lydia, die Antwort darauf kennen Sie bereits. Denken Sie nach: Sie haben vor Gericht zugegeben, dass Sie notfalls auch gegen das Gesetz verstoßen würden, um Ihre Sache durchzusetzen. Jedenfalls ist Burke dieser Ansicht. Außerdem glaubt er, dass Sie zur Hysterie neigen. Vor diesem Hintergrund bleibt uns gar nichts anderes übrig, als nach Protokoll vorzugehen und den Ball flach zu halten, bis wir Näheres erfahren. Glauben Sie mir, anders geht’s nicht.«
»Ich hole ihn sofort ab. Verdammt nochmal, ich …«
»Nein, das werden Sie nicht tun. Wir sind schon so weit gekommen, da werden Sie und Robert doch nicht als Flüchtige enden wollen! Hören Sie mir zu. Sie müssen sich erst mal beruhigen. Sagen Sie Cindy dass sie Ihnen was zu trinken machen soll – irgendwas Starkes –, und ich will, dass Sie bleiben und sich nicht von der Stelle rühren, bis ich wieder von Andrea höre. Verstanden? Sobald es soweit ist, rufe ich Sie an. Versprechen Sie mir, dass Sie nichts Unüberlegtes tun!«
»Owen, ich …«
»Ich will Ihr Wort, Lydia.«
Sie fühlte sich alt, müde und ausgelaugt – und krank vor Scham. Sie konnte es sich nicht leisten, klein beizugeben. Er hatte ja Recht. Sie musste irgendwie die nötige Geduld, Kraft und den Glauben an eine Zukunft für sie beide aufbringen, um auch das durchstehen zu können.
»Also gut«, sagte sie. »Okay, Owen.«
»Ich rufe Sie an, sobald ich mehr weiß.«
Sie legte den Hörer auf.
»Oh du Arme«, sagte Cindy, die ihr nun beide Hände auf die Schultern legte. Sie tröstete sie, obwohl sie nicht einmal genau wusste, was los war. Irgendwie schien sie genau zu wissen, wie sie sich fühlte, und brachte es vollkommen zutreffend – leise, perfekt und knapp – auf den Punkt: »Dir bleibt auch nichts erspart, oder?«
Andrea fand den Zeitpunkt gelinde gesagt ungewöhnlich. Als sie in ihr Büro zurückkehrte, fand sie dort eine Nachricht von Richter Burke vor, die besagte, dass er im Richterzimmer auf sie wartete und auf der Stelle den Mitschnitt ihres Gesprächs mit Robert Danse hören wollte.
Und dass er morgen früh eine Entscheidung zu treffen gedenke.
Sie rief Owen Sansom an und brachte ihn auf den neusten Stand. Dann ging sie zum Gerichtsgebäude auf der anderen Straßenseite. Es war bereits dunkel. Sie bemerkte, dass eine Straßenlaterne ausgefallen war und fühlte sich sofort merkwürdig beunruhigt, als hätte irgendwer die Beleuchtung mutwillig beschädigt, als hätte die Straßenkriminalität der Großstädte nun auch die Provinz erreicht und wäre von nun an Bestandteil ihres Alltags.
Dabei handelte es sich wahrscheinlich bloß um eine ausgebrannte Leuchtstoffröhre.
Sie zeigte dem Pförtner ihren Ausweis und ging durch den trüben Korridor zum Richterzimmer.
Richter Burke saß an seinem Schreibtisch, einem Videorekorder samt Bildschirm zugewandt. »Er macht da hinten Sache mit mir … damit …« , sagte Robert gerade. Sie schloss leise die Tür und sah, wie er eine Taste auf der Fernbedienung drückte. Der Bildschirm wurde schwarz.
»Miss Stone«, sagte er.
Sie gab ihm das kleine, sprachgesteuerte Diktiergerät.
»Das Band ist drin?«
»Ja.«
Er hantierte mit dem Diktiergerät, als würde er ein derartiges Gerät zum ersten Mal sehen, drehte es hin und her, runzelte die Stirn, betrachtete die Tasten an der Seite und legte es schließlich vor sich auf den großen Eichenholzschreibtisch.
»Also?«,
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