Wahnsinn
sich in eine vor Wut verzerrte Fratze, wie er sie noch nie im Leben gesehen hatte.
Er hat sich selbst verletzt.
Robert hatte es mit eigenen Augen gesehen.
Nur um mit ihm allein sein zu können.
Er versuchte zurückzuweichen, doch Arthur riss ihn grob an sich.
Er versuchte, nach Mrs. Strawn zu rufen, aber seine Stimme versagte ihren Dienst. Dann fing sein Vater an zu flüstern, und die Worte waren wie ein schneidender Wind.
»Hältst du mich wirklich für so scheißdämlich, Robert?« , zischte er. »Ich habe dir gesagt, was ich machen werde, und jetzt ist es so weit – außer du sagst, dass du gelogen hast, Robert. Glaubst du, ich bringe das nicht fertig? Glaubst du, du kannst mich verscheißern? Wenn du denen nicht sagst, dass du gelogen hast, und zwar ein bisschen plötzlich, werde ich deiner Mutter bei lebendigem Leib die Haut abziehen, und danach kommst DU an die Reihe! Hast du mich verstanden?«
Er quetschte ihm weiter den Arm. Als Robert glaubte, er könnte seinem Griff nicht länger standhalten, er würde ihm den Arm brechen, ließ er ihn los und verschwand rasch im Waschraum.
Robert hörte Wasser laufen.
Seine Beine gaben unter ihm nach. Er ließ sich zitternd auf dem Sofa nieder. Sackte förmlich darauf zusammen.
Da kam Mrs. Strawn mit Papiertüchern und einem Erste-Hilfe-Köfferchen aus der Küche, beachtete ihn jedoch gar nicht, sondern marschierte schnurstracks in den Waschraum. Er hörte, wie das Wasser abgedreht wurde, dann hörte er, wie sie miteinander redeten.
Niemand konnte ihn beschützen.
Das war ihm nun endgültig klar.
Sein Vater konnte mit ihm machen, was er wollte, genauso wie mit seiner Mutter, weil sein Vater immer alle nach Belieben austricksen konnte und weil seinem Vater alles egal war. Deshalb konnte er alles machen.
Und er war der Einzige, der das wusste.
Ganz egal, was seine Mutter gesagt hatte – er war mutterseelenallein.
Als sie aus dem Waschraum kamen, hatte sein Vater wieder sein Lächeln aufgesetzt, er zeigte seinen verbundenen Daumen, als wolle er ihm damit signalisieren, dass alles in Ordnung war, und auch Mrs. Strawn lächelte. Sein Vater hatte sie mit seinem falschen, harmlosen Gesicht und dem Schnitt, den er sich angeblich heute Morgen zugefügt hatte, total um den Finger gewickelt.
»Alles wieder heil«, rief er. »Nochmal vielen Dank, Mrs. Strawn. Das war wirklich sehr nett von Ihnen. Ich muss jetzt los, Robbie, aber ich verspreche dir, wir bleiben in Kontakt, okay?«
Daran zweifelte Robert keine Sekunde. Natürlich würden sie in Kontakt bleiben. Immer.
Bis an sein Lebensende.
31
Beweislast
»Für dich.« Cindy hielt ihr den Hörer hin. »Owen Sansom.«
Lydia nahm ihr das Telefon ab, und Cindy wandte sich wieder ihrer Beschäftigung zu – die darin bestand, gleichzeitig Hühnchen Cacciatore, grüne Bohnen und Pasta zuzubereiten, die Spielsachen und Bücher ihrer Tochter Gail vom Küchentisch zu räumen und ihre zweite Vormittagsflasche Miller Lite zu leeren.
»Ich habe mir gedacht, dass ich Sie hier erwische«, sagte Sansom. »Lydia, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Robert widerrufen hat.«
»Er hat was?«
»Er hat seine Aussage zurückgezogen.«
»Oh Gott, nein! «
Cindy ließ alles stehen und liegen und starrte sie mit der Kasserolle in der Hand an.
»Ich habe gerade eben mit Andrea Stone gesprochen. Vor einer halben Stunde hat Lois Strawn vom Kinderheim angerufen. Robert hat ihr gesagt, dass alles, was er der Staatspolizei erzählt hat, gelogen war. Dass er sich alles bloß ausgedacht hätte.«
»Das verstehe ich nicht. Weshalb? Weshalb sollte er das tun?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe da so eine Vermutung.«
»Nämlich?«
»Das wird Ihnen jetzt nicht gefallen, aber Lois Strawn sagte, dass Robert heute früh Besuch hatte. Von Arthur. Er war sehr höflich, sagte sie – aber Andrea Stone hatte gleich so ein komisches Gefühl. Also hat sie wissen wollen, ob Mrs. Strawn das Zimmer zu irgendeinem Zeitpunkt verlassen hat. So wie es aussieht, hat sich Arthur während der Unterhaltung irgendwie einen Finger blutig gekratzt, und da ist sie in die Küche gegangen, um Papiertücher und Verbandszeug zu holen. Sie war bloß ein oder zwei Minuten weg, aber verflucht, wie lange braucht man für so was schon? Ich kann es natürlich nicht beweisen, aber ich gehe jede Wette ein, dass Arthur ihn irgendwie eingeschüchtert hat.«
»Ich fahre sofort hin.«
»Das ist keine gute Idee. Selbst wenn Sie ihn so lange bearbeiten, bis er
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