Wahnsinn
schmalen Seite des Hauses. Das Esszimmer war dunkel, aber sie sah einen Lichtstreifen unter der Tür zur Küche hindurchschimmern.
Sie kehrte zur Frontseite zurück, nahm leise die drei Holzstufen zur Veranda und hörte die Bewohner, noch bevor sie sie durch das Fliegengitter und die Glasscheibe der Haustür sehen konnte.
Harry, Ruth und Robert saßen am Küchentisch.
Arthur ging auf und ab.
Von der Spüle zum Kühlschrank und wieder zurück.
Er hatte sich seit mindestens einem Tag nicht mehr rasiert. Sein Baumwollhemd hatte vorne irgendwelche Flecken und war unter den Armen erkennbar vergilbt. Er fuchtelte vor den anderen herum und schrie.
Ruth sah ihn ungerührt an.
Harry hingegen wirkte verstört. Vor ihm auf dem Tisch standen zwei Bierflaschen, die dritte hielt er in der Hand.
Robert sah verängstigt aus.
Obwohl er ihr den Rücken zukehrte, verrieten ihr seine gekrümmten Schultern, was mit ihm los war. Als er ihr in dem Moment, in dem sein Vater an ihm vorbeimarschierte, sein Profil zuwandte, war sie sich dessen ganz sicher.
»… wenn dieser Hurensohn nochmal vorbeikommt, gehe ich eben nochmal nach oben. Meinetwegen können wir dieses Scheißspiel bis in alle Ewigkeit spielen. Was wollt ihr denn überhaupt von mir? Wollt ihr mich hier nicht mehr haben? Wollt ihr mir das sagen? Meine eigene Mutter und mein eigener Vater, Himmelherrgott nochmal?«
Harry sagte etwas, das sie jedoch nicht verstehen konnte.
»Scheiß drauf!«, rief Arthur. »Ich bleibe bei meinem Sohn. Das ist mein gutes Recht. Das ist mein gottverdammtes Scheißrecht! «
Dann hörte sie Harry irgendwas über einen Haftbefehl sagen.
»Wegen was? Ein Haftbefehl wegen was? Er kriegt erst dann einen Haftbefehl, wenn er einen hinreichenden Tatverdacht hat, um Himmels willen. Was habe ich denn getan? Was zur Hölle habe ich angestellt, wofür er einen Haftbefehl kriegen könnte? Sag’s mir! Nein, Scheiße nochmal, ich sag’s dir. Gar nichts!«
Er ging hin und legte Robert beide Hände auf die Schultern.
Sie könnte förmlich spüren, wie er sich unter der Berührung seines Vaters wegduckte.
Arthur knurrte irgendwas.
»… liebe meinen Sohn«, sagte er dann. »Ich liebe dieses verdammte Kind!«
Sie zog das Fliegengitter auf, danach die Tür, und im nächsten Moment stand sie in der überheizten Küche, die nach seinem Schweiß stank. Das gehörte weiß Gott nicht zu ihrem Plan, aber sie konnte unmöglich weiter draußen stehen, mit anhören, was dieses Dreckschwein sagte, tatenlos zusehen, wie er Robert anfasste, und danach einfach wieder verschwinden.
»Du verdammter Hurensohn!«, rief sie.
Er grinste. »Oho! Na, sieh mal einer an, was wir da haben! Meine Exfotze! « Er ließ Robert los und trat zwei Schritte auf sie zu. »Mama ist da!«
»Komm, Robert«, sagte sie. »Wir gehen.«
Sie hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass Ruth aufgestanden war. Auf einmal stand sie zwischen ihnen. Eine Hand hatte sie gegen ihren Sohn, die andere gegen sie erhoben.
»Wir machen das unter uns aus«, sagte sie. »Das ist eine Sache zwischen uns und unserem Jungen. Du hast überhaupt keinen Grund, hier zu sein.«
»Keinen Grund? Ist dir klar, dass dein heiß geliebter Sohn schon dadurch, dass er sich in diesem Haus aufhält, gegen das Gesetz verstößt? Und dass du selbst gegen das Gesetz verstößt, weil du ihn reingelassen hast? Robert bleibt nicht mit ihm unter einem Dach, hast du mich verstanden? Du musst doch wahnsinnig sein, wenn du glaubst, dass ich das zulassen würde. Komm jetzt, Robert!«
»Mom …«
Er schien auf seinem Stuhl festgewachsen zu sein, wagte nicht, sich zu bewegen.
»Du bist hier eingebrochen«, sagte Ruth.
Jetzt reichte es ihr.
»Ach leck mich doch, Ruth. «
Nun geschah das Gleiche, was Arthur vor vielen Nächten und Wochen mit ihr gemacht hatte. Die Faust kam aus dem Nichts. Sie sah Sterne und im nächsten Augenblick lag sie mit dem Rücken zur Tür auf dem Fußboden und Robert schrie Mom! und versuchte, von Arthur wegzukommen, während Ruth auf sie herabsah.
»Harry, hol das Gewehr«, befahl sie.
Sie bemerkte, dass Harry nach ihr schielte. Sein Blick war leer, ohne Sinn und Verstand, unmöglich zu deuten. Dann verließ er den Raum.
Arthur lachte. Er bellte geradezu vor Lachen.
»Sieh lieber zu, dass du wegkommst, Liddy« , sagte er. »Er wird’s tun! Wenn Mama sagt, er soll dir deine verdammten Eingeweide aus dem Bauch ballern, dann tut er das auch!« Robert krümmte sich unter seinem Griff. »Einbrecher
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