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Wahnsinn

Titel: Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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Daddy gehört.«
    Er wurde rot, als hätte er sich verplappert. Dann wandte er sich wieder dem Puzzle zu.
    »Das hat Daddy gehört, als er noch klein war?«
    Er nickte.
    »Und Oma und Opa haben es für dich vom Dachboden geholt?«
    Wieder nickte er.
    Schweigen. Wieder bloß Schweigen.
    Verdammt. Was zur Hölle ging hier vor?
    Ruth kam mit dem Handtuch herein.
    »Hier«, sagte sie. Sie warf einen Blick auf das Puzzle und lächelte dünn, dann ging sie hinaus.
    Lydia rubbelte sich die Haare trocken. Das Handtuch roch unangenehm modrig. Sie fragte sich, wann es das letzte Mal gewaschen worden war. Ob alle Handtücher hier so rochen, oder ob Ruth dieses extra für sie ausgesucht hatte?
    »Hast du was von deinem Vater gehört?«
    Er schüttelte abermals den Kopf, starrte auf das Puzzle, drehte auf der Suche nach der richtigen Stelle ein Puzzleteil zwischen den Fingern.
    »Alles okay?«
    Er nickte.
    »Bestimmt?«
    Er nickte wieder.
    »Hey, ich vermiss dich, weißt du? Das Haus ist ziemlich groß und schrecklich still ohne dich.«
    Sie sah, wie er nach Luft schnappte. Das Puzzleteil hörte auf, sich in seiner Hand zu drehen. Wo er es festhielt, wurde die Kuppe seines Daumens schneeweiß.
    Um Himmels willen, dachte sie. Was machst du hier eigentlich? Willst du ihn foltern?
    »Du kannst bald wieder zurück. Versprochen.«
    Sie strich ihm mit den Händen über die Schultern und küsste ihn erneut auf den Scheitel.
    »Soll ich dir helfen?«
    Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.
    Dann blickten sie auf das Puzzle und die einzelnen Puzzleteile.
    Eine Stunde später waren sie noch immer nicht fertig und hatten kaum mehr als zehn Worte miteinander gewechselt.

    Als sie das Haus verließ, war es fast dunkel, und es hatte aufgehört zu regnen. Die löchrige Auffahrt war mit schwarz glänzenden Pfützen übersät. Sie umrundete sie, stieg in ihr Auto und ließ den Motor an.
    Als sie zurücksetzte, spähte sie noch einmal zum Fenster im Obergeschoss hinauf. Die Gardine bewegte sich nicht. Das Zimmer war dunkel.
    Trotzdem – hier war etwas faul. Sie brauchte nur eine Sekunde, um zu begreifen, dass sie vorhin nicht Ruth am Fenster gesehen haben konnte, weil Ruth bei ihr an der Tür gestanden hatte, und dass es auch nicht Robert gewesen war.
    Und wenn Harry noch im Laden war – wo er normalerweise bis zum Abendessen blieb –, wer hatte dann da oben am Fenster gestanden?
    Sie fuhr zum Laden, um der Sache auf den Grund zu gehen, und hielt auf dem Parkplatz. Sie sah Harrys jüngeren Gehilfen allein an der Kasse sitzen. Keine Spur von Harry oder seinem Pick-up, der übrigens auch nicht vor seinem Haus gestanden hatte.
    Was ihr in diesem Moment in den Sinn kam, gefiel ihr überhaupt nicht.
    Im Gegenteil, es hätte sie fast um den Verstand gebracht.
    Doch es war nicht unmöglich. Es mochte nicht sonderlich schlau und der Ausdruck eines kranken Geistes sein, aber möglich war es allemal.
    Alles hing allein davon ab, wie dreist diese Leute letztendlich waren. Und wie überzeugt sie davon waren, mit so etwas durchkommen zu können.
    Sie würde sie von nun an im Auge behalten. Und zwar ganz genau.
    Noch heute Abend würde sie damit anfangen.

35
Einzelkind
    Sie bat Cindy, sie hinzufahren, irgendwo eine Stunde oder anderthalb totzuschlagen und sie anschließend wieder abzuholen. Sie musste immer wieder an Owen Sansoms Worte denken – Was wir jetzt beweisen müssen, ist, dass Sie alles andere als seelisch instabil sind. Also wollte sie nicht riskieren, dass jemand ihr am Straßenrand abgestelltes Auto entdeckte und sich womöglich fragte, wo sie hingegangen sein mochte. Oder dass irgendein Ortsfremder den verlassenen Wagen der Polizei meldete. Sie wollte unbemerkt, vollkommen unsichtbar, ins Haus hinein- und wieder herausgelangen. Und anderthalb Stunden schienen ihr genügend Zeit zu sein, um sich endgültig Klarheit zu verschaffen.
    Sie zog Jeans, Sweatshirt, Laufschuhe und eine dunkelblaue Jacke an, machte sich in der Mikrowelle einen Teller Suppe warm und trank eine Tasse Kaffee, während sie wartete, bis Cindy ihre Tochter Gail für den Abend bei Ed abgeliefert hatte. Als sie die Autohupe hörte, war sie abmarschbereit.
    In Cindys Auto mischten sich unterschiedliche Duftnoten mit dem stechenden Aroma von Essig. Der Essiggeruch rührte von dem Apfelsaft her, den Gail schon vor Monaten auf der Rückbank verschüttet hatte. Sie nahm sich immer wieder vor, die Rückbank herauszunehmen und sauberzumachen, vergaß es dann jedoch ebenso

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