Wahnsinn
häufig wieder. Am Rückspiegel baumelte ein Paar Schaumstoffwürfel und der Aschenbecher quoll über vor Virginia-Slims-Filtern.
Cindy fuhr viel zu schnell und trank vermutlich auch viel mehr, als ihr guttat. Und sie war weiß Gott nicht der reinlichste Mensch im Universum, aber sie hatte für diese Unternehmung sofort alles stehen und liegen gelassen. Sie war schon eine verdammt gute Freundin.
Auf der Fahrt von Plymouth in die Hügel berichtete Lydia ihr von Roberts Verhalten und von der Gestalt am Fenster.
»Du denkst doch nicht, er ist so verrückt, dass er …«
»Ich habe keine Ahnung, was er vorhat. Früher hätte ich mir nicht träumen lassen, zu was er allem fähig ist.«
»Weißt du noch, auf der Hochzeit deiner Schwester? Dass ich diejenige war, die dich dazu angestiftet hat, ihn … Jesus? Ich könnte mir dafür in den Hintern beißen.«
»Du kanntest ihn damals doch gar nicht. Und ich auch nicht.«
»Ich fand ihn süß und ich hatte gehört, dass er Geld hat. Und dann kommt raus, dass er so süß wie eine beschissene Kanalratte ist.«
»Aber Geld hat er wirklich.«
»Oh ja, das hab ich sofort geschnallt. Ich bin ein echtes Genie, wenn’s ums Verkuppeln geht.«
»Das hast du doch schon eine Million Mal wiedergutgemacht, Cyn – und das weißt du auch. Aber tu mir bitte noch einen Gefallen.«
»Was denn?«
»Geh mal ein bisschen vom Gas, ja?«
»Nur weil du es bist, Schätzchen.«
Sie folgten den schmalen Serpentinen in die Hügel hinauf. Einmal sahen sie, wie Scheinwerfer um eine Biegung kamen. Als der Wagen abblendete und an ihnen vorbeifuhr, bemerkte Lydia, dass es sich um einen Streifenwagen handelte. Einen Moment lang glaubte sie, Ralph Duggan hinter dem Lenkrad zu erkennen. Aber sicher war sie sich nicht.
Etwa hundert Meter vor dem Haus der Danses stand ein Stoppschild. Dort, unmittelbar hinter einer Brücke über einem rauschenden Bach, der ein Stück weiter in einen Biberteich mündete, begann eine Schotterstraße. Sie wies Cindy an, am Straßenrand anzuhalten.
»Hier treffen wir uns nachher wieder«, sagte sie.
»Weißt du, jetzt, wo wir hier sind, habe ich ganz schön Bammel.«
»Ich pack das schon«, entgegnete Lydia.
Aber davon war sie keineswegs überzeugt. Sie war nervös wie eine Katze, die sich mutterseelenallein in der Großstadt verlaufen hat und nicht weiß, an wen sie sich wenden soll, um Wärme und Geborgenheit zu finden. Sie hoffte nur, dass man ihr das nicht anmerkte.
»Du hättest besser irgendwas mitgenommen.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel ein Schießeisen, Herrgott nochmal! Die da drin haben nämlich so was.«
»Stimmt. Sie haben genug Waffen, um einen Krieg vom Zaun zu brechen, aber ich glaube nicht, dass es irgendwas bringt, wenn ich da mit einer Schusswaffe auftauche. Ich muss doch Miss Seelisches Gleichgewicht sein, schon vergessen? Abgesehen davon gehe ich gar nicht rein. Ich bin auch nicht scharf drauf, überhaupt gesehen zu werden. Ich schau mich nur mal um. Die sind im Hellen und ich im Dunkeln, mehr ist nicht dabei.«
»Klar. Gar kein Problem.«
»Jetzt mach dir keine Sorgen. Wie spät hast du’s?«
»Fünf vor halb neun.«
»Meine Uhr geht fünf Minuten nach. Okay, sagen wir zehn Uhr, in Ordnung?«
»In Ordnung.«
Sie öffnete die Autotür. Cindy legte ihr die Hand auf den Arm und hielt sie zurück.
»Hey«, sagte sie. »Viel Glück. Ich hoffe, dass sie nur Besuch hatten. Ich hoffe wirklich, dass du nichts findest.«
»Ich auch. Bis später dann.«
»Sei vorsichtig.«
Die Taschenlampe genügte, um ihr den Weg den Hügel hinauf und durch das spärliche Gehölz zum Haus zu weisen. Als sie die Rasenfläche vor dem Eingang betrat, schaltete sie die Lampe aus und ging im fahlen Licht des abnehmenden Mondes weiter.
Immer noch keine Spur von Arthurs Lincoln. Allein Ruths Wagen und inzwischen auch Harrys Pick-up standen vor dem Haus. In den Schlafzimmern im Obergeschoss brannte kein Licht. Aber sie sah welches im Wohnzimmer und im Flur, der von der Veranda ins Haus führte. Die Veranda selbst lag im Dunkeln. Gut so. Es musste schon mit dem Teufel zugehen, wenn sie sie hier draußen bemerkten.
Sie spähte durch das Eckfenster ins Wohnzimmer. Arthurs Porträt, das ein lokaler Künstler in Öl gemalt hatte, hing an prominenter Stelle über dem Kamin. Kein Porträt von Harry, sondern von Arthur. Das war ihr schon immer ziemlich seltsam vorgekommen.
Im Wohnzimmer war niemand zu sehen.
Sie schlich hinter den ungeschnittenen Hecken bis zur
Weitere Kostenlose Bücher