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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Ich weiß nicht, wo er steckt, aber ich könnte mir etliche Möglichkeiten ausmalen: Murphy's Bar auf der Main Street, Calla-han's im Nord Park, irgendein Straßengraben.
    Sophie kommt in die Küche. »He«, sage ich, und meine Sorge um Eric verfliegt beim Anblick meiner Tochter. »Willst du mir helfen?« Ich halte die grünen Bohnen hoch. Sie mag das Knackgeräusch, wenn sie brechen.
    Sie zuckt nur die Achseln und setzt sich mit dem Rücken gegen den Kühlschrank.
    »Wie war's im Kindergarten?« frage ich.
    Ihr kleines Gesicht verdunkelt sich wie der Gewitterhimmel im Juli. Dann blickt sie zu mir hoch: »Jen-nica hat eine Fledermaus«, verkündet Sophie.
    »Echt?« erwidere ich und überlege, wer aus ihrer Gruppe noch mal Jennica ist - die mit den platinblonden Zöpfen oder die, deren Vater den schicken Cof-feeshop betreibt.
    »Ich will auch eine.«
    »Na, ich weiß nicht.« Das Licht von Autoschein-werfern huscht am Fenster vorbei, biegt aber nicht in unsere Einfahrt. Ich konzentriere mich wieder auf Sophie, überlege, ob Fledermäuse nicht irgendwelche gefährlichen Krankheiten übertragen.
    »Aber die ist ganz weich«, jammert Sophie. »Und richtig kuschelig und auf dem Etikett steht der Name.«
    Ach so, wahrscheinlich das zur Zeit angesagte neue Beanie Baby. »Vielleicht zu deinem Geburtstag.«
    »Bis dahin vergißt du das bestimmt auch noch«, stößt Sophie vorwurfsvoll hervor und läuft zur Küche hinaus und nach oben.
    Mit einem Mal habe ich wieder den rot umkringelten Termin in meinem Kalender vor Augen - die Eltern-Kind-Party im Kindergarten hatte um ein Uhr begonnen, als ich gerade auf halber Höhe auf einem Berg war und nach Holly Gardiner suchte.
    Als ich klein war, habe ich es meinem Vater nie erzählt, wenn in der Grundschule eine Feier stattfand, zu der auch die Eltern eingeladen waren. Statt dessen stellte ich mich krank und blieb an dem Tag zu Hause, damit ich nicht mit ansehen mußte, wie die Mütter von allen anderen in meiner Klasse hereinspaziert kamen, während ich doch wußte, daß meine Mutter niemals kommen würde.
    Als ich nach oben gehe, liegt Sophie auf ihrem Bett. »Schätzchen«, sage ich. »Es tut mir wirklich leid.«
    Sie blickt zu mir hoch. »Wenn du bei denen bist«, fragt sie, und es bricht mir das Herz, »denkst du dann überhaupt mal an mich?«
    Ich nehme sie hoch und setze sie mir auf den Schoß. »Ich denke sogar an dich, wenn ich schlafe«, sage ich.
    Jetzt, wo sich dieser kleine Körper eng an meinen schmiegt, kann ich es mir gar nicht mehr vorstellen -aber als ich merkte, daß ich schwanger war, habe ich mit dem Gedanken gespielt, das Baby nicht zu bekommen. Ich war nicht verheiratet, und Eric hatte auch so schon genug Probleme. Doch am Ende brachte ich es nicht fertig. Ich wollte die Sorte Mutter sein, die sich mit Haut und Haaren wehrt, wenn jemand sie von ihrem Kind trennen will. Ich wollte gern glauben, daß meine Mutter so war.
    Sophies Mutter zu sein - mal mit, mal ohne Eric - ist erheblich schwerer, als ich je gedacht hätte. Wenn ich etwas richtig mache, führe ich das auf das Vorbild meines Vaters zurück. Wenn ich etwas falsch mache, kreide ich es einfach dem Schicksal an.
    Die Tür geht auf, und Eric kommt herein. Für die erste halbe Sekunde, bevor sich sämtliche Erinnerungen dazwischendrängen, raubt er mir wieder den Atem. Sophie hat das dunkle Haar und die Sommersprossen von mir. Von Eric hat sie die sehnige Statur und die hohen Wangenknochen, das natürliche Lächeln und die beunruhigenden Augen - so unergründlich blau wie ein Gletscher. »Entschuldige die Verspätung.« Er drückt mir einen Kuß aufs Haar, und ich hole tief Luft, um festzustellen, ob sein Atem nach Alkohol riecht. Er nimmt Sophie auf den Arm.
    Ich kann weder die säuerliche Würze von Whiskey noch die herbe Hefe von Bier wahrnehmen. Schon in der High-School verstand es Eric, die verräterischen Anzeichen des Alkoholkonsums zu kaschieren. »Wo warst du denn?« frage ich.
    »Hab mich noch mit einem Freund im Amazon getroffen.« Er zieht einen Beanie-Baby-Frosch aus seiner Gesäßtasche.
    Sophie quietscht auf und schnappt ihn sich, umarmt Eric so fest, daß ich fast fürchte, sie drückt ihm die Luft ab. »Sie hat uns also beide bearbeitet«, sage ich kopfschüttelnd. »Sie ist raffiniert.«
    »Sie geht nur auf Nummer sicher.« Er stellt Sophie auf den Boden, und die läuft sofort nach unten, um ihrem Großvater das neue Beanie Baby zu zeigen.
    Ich lehne mich in seine Arme, hake die Daumen

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