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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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spielen Sie nicht mit mir! Ich beziehe mich auf die vor fünfzehn Minuten an mein Personal ergangene
Anweisung, alle Aktivitäten einzustellen und die Einrichtung unverzüglich zu räumen!«
    »Ich habe keine solche Anweisung gegeben«, entgegnete Kuros. »Dabei muss es sich um einen Fehler der Verwaltung handeln …«
    Der Chefwissenschaftler wirkte verärgert. »Ja, natürlich, Botschafter - Fehler, Nachlässigkeiten, Missverständnisse, die üblichen Zutaten höfischer Intrige! Ich will ganz offen sein - wenn Sie eine Gefälligkeit von mir erwarten, dann sagen Sie es, damit ich meine Arbeit fortsetzen kann …«
    »Ich habe keine solche Anweisung gegeben«, wiederholte Kuros erbost und erhob sich aus seinem Sessel. »Und ich erwarte keinerlei Gefälligkeit von Ihnen oder …«
    In diesem Moment öffnete sich die Tür, und der schlanke, schwarz gewandete Geläuterte Teshak trat ein.
    »Haben Sie ein Problem mit den Anweisungen, Chefwissenschaftler?«, erkundigte Teshak sich freundlich.
    Tabri blickte überrascht von einem zum anderen. »Sie wissen davon, Hochverehrter?«
    »In der Tat - der Botschafter hat mit mir darüber gesprochen. Sie haben doch nicht etwa die Absicht, sie infrage zu stellen?«
    »Nein … äh …« Tabri erwiderte einen Moment lang Teshaks eisigen Blick, dann schien er zu schrumpfen. »Wenn die Anweisungen in Ordnung sind, werde ich … sie ausführen. Ich werde mich unverzüglich an meine Mitarbeiter wenden.« Mit bedrückter Miene ging er hinaus.
    Kuros hatte einen Einwand machen wollen, musste jedoch feststellen, dass er keinen Ton herausbrachte. Als die Tür sich hinter Tabri schloss, fand er die Stimme wieder. Und sein Geistesbruder Gratach tauchte an seiner rechten Seite auf. Einen Moment lang irrlichterte Kuros’ Blick zwischen Gratach und Teshak hin und her.

    »Stammt die Anweisung an die Wissenschaftler von Ihnen, Eure Geläutertheit?«
    »Ich habe die Anweisung an das hier beschäftigte Personal gegeben«, antwortete Teshak. »In Kürze werden mehrere Transporter landen.«
    Kuros ließ sich benommen in den Sessel zurücksinken. »Welchen Grund sollte es geben, diese Einrichtung zu verlassen, wo wir beim Warpbrunnen gerade so gute Fortschritte machen?«
    »Dafür gibt es einen ganz einfachen Grund«, sagte Teshak. »Das Scheitern dieser Mission und der desaströse militärische Zusammenstoß mit der Flotte des Imisil-Bundes - die Imisil haben die Flotte unter großer Geheimhaltung gebaut, aber jedes Geheimnis findet ein Ohr - werden zum Sturz der hegemonialen Regierungsfraktion und einer politischen Vertrauenskrise führen. Dann werden die Geläuterten im Verein mit gewissen Traditionalistengruppen in den Vordergrund treten und der Hegemonie eine politische Neuorientierung vorschlagen, die weniger durch Rücksichtnahme auf halbherzige Verbündete bestimmt ist.«
    Gratach brummte zustimmend und lächelte.
    »Was geschieht mit dieser Anlage?«, fragte Kuros.
    »Mehrere Gruppen wollen sie unter ihre Kontrolle bringen«, antwortete Teshak. »Einige wollen den Warpbrunnen zerstören, andere wollen damit ihre Gegner bekämpfen. Das wird zu Feindseligkeiten führen, zu Unruhe und vielen Toten, was unseren Zwecken dienlich ist, da es die Regierungspolitik, deren Vertreter natürlich Sie sind, in ein schlechtes Licht rücken wird.«
    »Aber Sie würden damit etwas opfern, das der Hegemonie einen entscheidenden Vorteil verschaffen könnte …«
    »In den vergangenen Jahrhunderten wurden zahlreiche solche Pläne von den Hegemonie umgesetzt, doch der
Aufwand war zumeist vergeblich und hat lediglich die Finanzen strapaziert. Wir Geläuterte sind zuversichtlich, dass unsere Zukunftsvision der Hegemonie spürbaren und langfristigen Nutzen bringen und unseren Einflussbereich erweitern wird.«
    Kuros verspürte ein Zittern in der Brust und in den Gliedern.
    »Da Sie mir gegenüber so offen sind, beabsichtigen Sie, mich zu exekutieren.«
    »Aber Kuros, wie dramatisch! Das wäre eine Verschwendung, und zwar in mehrfacher Hinsicht.« Der Geläuterte Teshak schritt mit auf dem Rücken verschränkten Händen im Raum auf und ab. »Wir brauchen Sie für bestimmte Aufgaben. So werden Sie alles erklären - umzingelt von Feinden, haben Sie unter dem Eindruck Ihres Versagens die Nerven verloren und die vollständige Räumung der Schulter des Riesen angeordnet. Nach dem Umzug ins Nordlager war ihre Beschämung so groß, dass Sie für Ihre Feigheit büßen wollten und den Pfad der Läuterung beschritten haben.

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