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Klingsors letzter Sommer

Klingsors letzter Sommer

Titel: Klingsors letzter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Klingsors letzter Sommer
    Erzählung
    mit farbigen Bíldern
    vom Verfasser
    Suhrkamp Verlag
    5. bis 7. Tausend dieser Ausgabe 985
    © 920 bei S. Fischer Verlag
    Alle Rechte jetzt bei Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main
    © der Aquarelle Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 978
    mit freundlicher Genehmigung von Heiner Hesse, Küsnadit
    Druck: Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden
    Printed in Germany
    Klingsors letzter Sommer

    Vorbemerkung
    Den letzten Sommer seines Lebens
    brachte der Maler Klingsor, im Alter
    von zweiundvierzig Jahren, in jenen südli-
    chen Gegenden in der Nähe von Pampam-
    bio, Kareno und Laguno hin, die er schon
    in früheren Jahren geliebt und oft besucht
    hatte. Dort entstanden seine letzten Bilder,
    jene freien Paraphrasen zu den Formen der
    Erscheinungswelt, jene seltsamen, leuch-
    tenden und doch stillen, traumstillen Bilder
    mit den gebogenen Bäumen und pflanzen-
    haften Häusern, welche von den Kennern
    denen seiner »klassischen« Zeit vorgezo-
    gen werden. Seine Palette zeigte damals
    nur noch wenige, sehr leuchtende Farben:
    Kadmium gelb und rot, Veronesergrün,
    Emerald, Kobalt, Kobaltviolett, französi-
    schen Zinnober und Geraniumlack.
    Die Nachricht von Klingsors Tode er-
    schreckte seine Freunde im Spätherbst.
    Manche seiner Briefe hatten Vorahnungen
    oder Todeswünsche enthalten. Hieraus
    mag das Gerücht entstanden sein, er habe
    sich selbst das Leben genommen. Andre
    Gerüchte, wie sie eben einem umstrittenen
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    Namen anfliegen, sind kaum weniger halt-
    los als jenes. Viele behaupten, Klingsor sei
    schon seit Monaten geisteskrank gewesen,
    und ein wenig einsichtiger Kunstschrift-
    steller hat versucht, das Verblüffende und
    Ekstatische in seinen letzten Bildern aus
    diesem angeblichen Wahnsinn zu erklären!
    Mehr Grund als diese Redereien hat die
    anekdotenreiche Sage von Klingsors Nei-
    gung zum Trunk. Diese Neigung war bei
    ihm vorhanden, und niemand nannte sie
    offenherziger mit Namen als er selbst. Er
    hat zu gewissen Zeiten, und so auch in den
    letzten Monaten seines Lebens, nicht nur
    Freude am häufigen Pokulieren gehabt,
    sondern auch den Weinrausch bewußt als
    Betäubung seiner Schmerzen und einer oft
    schwer erträglichen Schwermut gesucht.
    Li Tai Pe, der Dichter der tiefsten Trinklie-
    der, war sein Liebling, und im Rausche
    nannte er oft sich selbst Li Tai Pe und einen
    seiner Freunde Thu Fu.
    Seine Werke leben fort, und nicht minder
    lebt, im kleinen Kreis seiner Nächsten, die
    Legende seines Lebens und jenes letzten
    Sommers weiter.
    Klingsor
    Ein leidenschaftlicher und raschlebiger
    Sommer war angebrochen. Die heißen
    Tage, so lang sie waren, loderten weg wie
    brennende Fahnen, den kurzen schwülen
    Mondnächten folgten kurze schwüle Re-
    gennächte, wie Träume schnell und mit
    Bildern überfüllt fieberten die glänzenden
    Wochen dahin.
    Klingsor stand nach Mitternacht, von ei-
    nem Nachtgang heimgekehrt, auf dem
    schmalen Steinbalkon seines Arbeitszim-
    mers. Unter ihm sank tief und schwindelnd
    der alte Terrassengarten hinab, ein tief
    durchschattetes Gewühl dichter Baumwip-
    fel, Palmen, Zedern, Kastanien, Judas-
    baum, Blutbuche, Eukalyptus, durchklet-
    tert von Schlingpflanzen, Lianen, Glyzi-
    nen. Über der Baumschwärze schimmerten
    blaßspiegelnd die großen blechernen Blät-
    ter der Sommermagnolien, riesige schnee-
    weiße Blüten dazwischen halbgeschlossen,
    groß wie Menschenköpfe, bleich wie
    Mond und Elfenbein, von denen durch-
    dringend und beschwingt ein inniger Zi-
    tronengeruch herüberkam. Aus unbe-
    
    stimmter Ferne her mit müden Schwingen
    kam Musik geflogen, vielleicht eine Gi-
    tarre, vielleicht ein Klavier, nicht zu unter-
    scheiden. In den Geflügelhöfen schrie
    plötzlich ein Pfau auf, zwei- und dreimal,
    und durchriß die waldige Nacht mit dem
    kurzen, bösen und hölzernen Ton seiner
    gepeinigten Stimme, wie wenn das Leid
    aller Tierwelt ungeschlacht und schrill aus
    der Tiefe schellte. Sternlicht floß durch das
    Waldtal, hoch und verlassen blickte eine
    weiße Kapelle aus dem endlosen Walde,
    verzaubert und alt. See, Berge und Himmel
    flossen in der Ferne ineinander.
    Klingsor stand auf dem Balkon, im
    Hemde, die nackten Arme auf die Eisen-
    brüstung gestützt, und las halb unmutig,
    mit heißen Augen, die Schrift der Sterne
    auf dem bleichen Himmel und der milden
    Lichter auf dem schwarzen klumpigen Ge-
    wölk der Bäume. Der Pfau erinnerte ihn.
    Ja, es war wieder Nacht, spät, und man
    hätte nun

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