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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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reagiert?«
    Talavera schwieg einen Moment lang, und Julia verspürte einen Anflug von Unbehagen angesichts der Richtung, die das Verhör einschlug.

    »Mit diesen Fragen habe ich nicht gerechnet, General.«
    »Gleichwohl bestehe ich auf einer Antwort.«
    »Na schön, sagen Sie ihm Folgendes: Normale Menschen betrachten sie als Absonderlichkeiten, etwa so, als hätten sie übergroße Füße oder dicke Nasen. Außerdem sind sie Gegenstand der Belustigung und werden häufig als ›Großkopferte‹ bezeichnet.«
    Hurnegurs Augen weiteten sich ein wenig, ansonsten zeigte er keine Reaktion. Dann nickte er leicht und übersetzte die Antwort. Während der Prophet-Weise lauschte, blickte Julia Talavera an. Sie wirkte entspannt, belustigt und sarkastisch, doch an der Hand, die sich in die Hüfttasche geschoben hatten, traten die Knöchel weiß hervor, als ob sie etwas umklammerte.
    Der Prophet-Weise sagte etwas, das Hurnegur übersetzte.
    »Der Ehrwürdige hat gesagt, Ihre Beobachtungen seien in Anbetracht Ihres kürzlich erfolgten Aufstiegs in den Reihen der Chaurixa vielleicht nicht verlässlich. Der ehemalige Führer, Castigator Vuzayel, wurde von Ihnen bekanntermaßen dazu ermutigt, seine Sünden und Verfehlungen im Namen der Heiligen Rache zu bekennen.« Hurnegur lächelte schwach. »Haben Sie ihn wirklich aus der Schleuse geworfen, Händlerin Talavera?«
    Sie zuckte die Achseln. »Vuzayel war unfähig. Er hat zugelassen, dass ein Gefangener sich dem Sakrament entziehen konnte; ich bin ihm nachgeflogen und in der Folge auf Shafis Vier gestrandet. Zum Glück konnte ich mich aus diesem Rattenloch befreien und zur Sakrament zurückkehren, wo ich Vuzayel sein Versagen klargemacht habe.« Sie stockte. »Sie können dem Prophet-Weisen versichern, dass meine Hingabe an den Großen Säer ebenso tief ist wie sein Glaube an die Vater-Weisen. Und dass wir uns auf die Erfolge
freuen, welche die Armada bei Erreichen ihres Bestimmungsorts erzielen wird.«
    Während der Prophet-Weise der Übersetzung lauschte, kräuselte ein eisiges Lächeln seine ledrigen Wangen, und als Hurnegur geendet hatte, sprach er ein paar Worte und humpelte dann hinaus. Der Henkayaner-General blickte stirnrunzelnd Talavera an.
    »Er hat gesagt: ›Selbst Monster können nützlich sein.‹« Dann musterte er Julia forschend. »Wie fühlt sich das an, wenn man so ist wie Sie?«
    Plötzlich waren alle Blicke auf sie gerichtet.
    »General, ich würde sagen, vor allem ist es harte Arbeit, etwas Großes erreichen zu wollen und gleichzeitig unbeliebt zu sein. Übrigens sind wir gar nicht so verschieden von anderen Menschen wie zum Beispiel unserer Freundin Talavera. Wir lachen, wir streiten uns, wir erregen und langweilen uns. Wir wachsen mit diesen Fähigkeiten auf, deshalb sind sie für uns ganz normal, aber verglichen mit anderen Eigenschaften« - sie deutete auf die breiten Schultern des Henkayaners - »ist das etwa so, als hätten wir ein zusätzliches Armpaar.«
    Hurnegur lachte grollend und nickte.
    »Ich habe nicht viel Zeit, mich mit Menschen abzugeben, aber Sie gefallen mir - besser als Händlerin Talavera. Dennoch vertraue ich ihr mehr als Ihnen.« Er blickte Talavera an. »Wir legen in einer halben Stunde an Ihrem Schiff an.«
    Er neigte ironisch den Kopf und ging hinaus, gefolgt von seinen Leibwächtern. Talavera wandte sich Julia zu.
    »Glaub ja nicht, du hättest da soeben einen neuen Freund gefunden«, sagte sie. »Wenn der Prophet-Weise ihm befohlen hätte, dich auszuweiden wie einen Fisch und dir den Kopf abzuschneiden, hätte er keinen Moment gezögert.
Und in Anbetracht der Vorlieben des Ehrwürdigen wäre das eine sichere Option, jedenfalls dann, wenn du ihm irgendwann in die Hände fallen solltest. Aber das gehört nicht zum Plan.«
    »Aber die Rückkehr nach Darien schon«, sagte Julia ungerührt.
    Talavera wandte sich zum Gehen und hielt an der Tür grinsend inne. »Darauf kannst du wetten. Übrigens, Hurnegurs Bemerkung war ironisch gemeint, denn er vertraut niemandem.«
    Die Tür schloss sich hinter Talavera und ihren Leibwächtern. Endlich wagten es Julias Gefährten, ihre panische Angst zu zeigen.
    »Sie weiß Bescheid«, sagte Irenja heiser. »Sie weiß Bescheid !«
    »Wie sollte sie?«, meinte Thorold. »Woher sollte eine Außenstehende …«
    Sie meinten ihre Forschung zur dunklen Antimaterie, doch selbst dieser verschlüsselte Hinweis war schon zu viel. Julia bedachte beide mit einem scharfen Blick und bedeutete ihnen mit Gesten, dass

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