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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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sie abgehört wurden. Seit ihrer Gefangennahme bedienten sie sich einer Variante der Zeichensprache aus den Zeiten des Wyshinski-Hauses, und auch jetzt legte Julia Wert darauf, dass sie kein Wort über das streng geheime AM-Projekt verloren. Irenja und Thorold nickten, Konstantin zuckte die Achseln, doch Arkadi sagte: »Was soll’s?« Verärgert hockte er sich ein Stück abseits hin.
    Gefahr von allen Seiten, dachte Julia. Und wir müssen darauf vertrauen, dass diese Scheißterroristin uns vor den Gotteseiferern beschützt. Aber welchen Preis müssen wir dafür zahlen, und wie viel Blut wird am Ende an unseren Händen kleben?

14 Theo
    Zunächst glaubte er, Sonnenschein habe ihn geweckt. Doch der erste Moment der Wachheit ging einher mit der Erkenntnis, dass er seine Gliedmaßen nicht bewegen konnte. Er lag auf einer seltsamen Liege, die teilweise seine Arme und Beine mit gebogenen Schalen aus mattgrünem Polymer umschloss. Eine Art Metallnetz fesselte seinen Oberkörper, ein Stirnband und eine gepolsterte Vorrichtung fixierten seinen Kopf. Über ihm leuchtete inmitten einer Ansammlung auf dem Kopf stehender Anzeigen eine kleine Lampe. Soweit er das mit seinem eingeschränkten Blickfeld erkennen konnte, befand er sich in einem kleinen Raum.
    Erinnerungen stürzten auf ihn ein, die nächtliche Entführung aus dem Baumhaus, der Flug im Frachtraum des Shuttles der Tygraner/Ezgara, der Gasnebel, der ihn in Sekundenschnelle betäubt hatte, und jetzt das hier. Hilfloser Zorn wallte in ihm auf, doch er beherrschte sich, zwang sich dazu, ruhig zu bleiben, über die Situation nachzudenken, die Anhaltspunkte miteinander zu verknüpfen. Plötzlich fiel ihm etwas ein: Mit solchen Hochsicherheits-Fesselliegen wurden Gefangene transportiert, was den Schluss zuließ, dass man ihn für äußerst gefährlich hielt. Unwillkürlich musste er lachen.
    »Theo?«, sagte jemand. »Sind Sie das?«
    »Malachi?«
    »Ja.« Ein Seufzen. »Tut mir leid, dass ich mitgeholfen habe, Sie gefangen zu nehmen. Ich habe gehofft, dass man
Sie mitnehmen würde. Ansonsten hätte man Sie entweder getötet oder Ihr Bewusstsein gelöscht.«
    Da er den Tygraner nicht sehen konnte, musste er ins Leere sprechen.
    »Gelöscht? Wie das denn?«
    »Mit einem hochdruckinjizierten Bioreagenz. Das soll eigentlich nur die Erinnerungen der letzten achtundvierzig Stunden löschen, aber häufig radiert es mehr aus. Sehr viel mehr.«
    »Das hätte … unerfreulich werden können.«
    Jetzt musste Malachi lachen.
    »Finden Sie die Gefangenschaft nicht ebenfalls unerfreulich?«
    »Eigentlich nicht«, sagte Theo. »Eher lästig.«
    Beide lachten, verstummten aber sofort, als die Tür aufging und ein Lichtkeil in den Raum fiel. Im nächsten Moment beugte sich ein Mann über Theos Liege und musterte ihn mit kaltem Blick, dann wandte er sich dem verborgenen Malachi zu.
    »Gut, beide sind wach, weiter wie geplant.«
    Der Mann trug eine Ezgara-Kampfmontur, aber keinen Helm. Sein dunkles Haar war kurzgeschoren, was die Schädelform und die scharf gezeichneten Wangen-und Kieferkonturen betonte. Ein Offizier, dachte Theo, etwa Mitte dreißig, wahrscheinlich ein loyaler, dogmatischer Veteran.
    »Sie werden bald an das Patrouillenschiff Sternenfeuer übergeben werden, das Sie nach Tygra bringen soll, wo man über Sie urteilen wird.«
    »Kommen wir vor einen Zivilgerichtshof?«, fragte Malachi. »Oder ist Becker für uns zuständig?«
    Die Augen des Neuankömmlings verdunkelten sich vor Zorn. »Ja, Matthias Becker, der Hohe Marshal. Alle Disziplinarangelegenheiten,
welche die Kommandantur betreffen, fallen unter seine Gerichtsbarkeit.«
    »Wissen Sie eigentlich, dass ein unerbittlicher Richter für die Gesellschaft schädlicher ist als ein Dutzend reiche Anwälte?«
    Der Offizier grinste höhnisch. »Ein chinesisches Sprichwort, wie hübsch. Ein Archaismus, der nicht mehr zum Lehrstoff der Kadetten gehört.«
    »Eine Entscheidung, die uns geschwächt hat.«
    »Das sagen Sie und haben es auch in der Vergangenheit gesagt, das war Ihr Fehler. Denn wenn sich die Klingen kreuzen, können Worte tödlich sein.«
    »Das muss ein Spruch aus dem Katalog der markigen Neuen Tugenden des Marshals sein, nicht wahr?«
    »Wie ich sehe, sind doch nicht alle Reformen spurlos an Ihnen vorübergegangen.«
    »Reformen?« Verachtung sprach aus Malachis Tonfall. »Sie meinen wohl die Methoden der Indoktrination und den Personenkult …«
    »Malachi, mein Junge«, schaltete Theo sich ein, »Sie sollten Ihren

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