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Wald aus Glas: Roman (German Edition)

Wald aus Glas: Roman (German Edition)

Titel: Wald aus Glas: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schertenleib
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zurückgekehrt.
    »Ich bin nicht wegen dir zurückgekommen«, sagte sie und stand jetzt doch auf.
    »Dann ist gut«, sagte er grob, drehte sich um und ging.
    Sie blieb mit geschlossenen Augen stehen und lauschte dem Klopfen und Schurren der Äste auf dem Dach, das sie mit einem Mal besänftigte. Du bist nicht allein, dachte sie beruhigt. Sie war weder traurig noch verzweifelt, war dasnicht erstaunlich, sie war bloß müde, unsäglich müde. Wie widerlich der Dönergeruch doch war! Sie stieß das Klappfenster über der Spüle auf und sog die frische Luft ein, die in den Wohnwagen strömte. Mit geblähten Nüstern, dachte sie und lachte, wie ein Pferd. Da-vor, Da-vor, Da-vor, Da-vor, sie sagte den Namen schnell hintereinanderweg, bis sie außer Atem war und der Name wie ein Witz klang, Werbung für etwas, das sie ganz gewiss nicht brauchte.
    Sie stand auf, öffnete die Schublade unter der Spüle und nahm die Schere heraus, die dort lag. Sie fiel mit ausgestreckten Armen rücklings in ein wogendes Weizenfeld, nackt mit kurzgeschorenen Haaren, federleicht. Wann hatte sie das geträumt? Bevor sie dem Mann den Stein in den Nacken gehauen hatte. Im Bad des Wohnwagens war es so dunkel, dass sie in dem kleinen Spiegel nur den Umriss ihres Kopfes sehen konnte. Sie packte mit der linken Hand ein Büschel ihrer Haare und schnitt es mit der Schere ab, dicht über der Kopfhaut, ohne daran zu denken, dass sie sich geschworen hatte, ihre langen Haare niemals zu schneiden. Sie drückte das Kinn auf die Brust und schnitt die Haare am Hinterkopf, dann wechselte sie die Schere in die linke Hand. Sie schnitt so, dass die Büschel in das winzige Waschbecken des Bades fielen. Es war besser, dass sie sich nicht im Spiegel sehen konnte. Wie leicht es war, einen Schwur zu brechen! Sie spürte die kalten Scherblätter auf der Kopfhaut, die Daumen taten ihr weh. Als sie fertig war, warf sie die Schere in die Schublade und wühlte mit beiden Händen in ihren abgeschnittenen Haaren, die das Becken bis zum Rand füllten. Rabenschwarz. Wie leicht sie waren! Ein Berg Haare. Federleicht! Sie strich sich über den Kopf, erstaunt, was für eine Form sie fühlte. Sie kamsich nackt vor und ungeschützt, gleichzeitig spürte sie eine unbändige Kraft in sich und hätte sich jetzt gern vor ihre Eltern und ihren älteren Bruder gestellt: Seht her, von jetzt an bin ich die, die hier vor euch steht!
    Sie legte sich aufs Bett, rücklings, zitternd vor Tatendrang, nahm die rote Plastikblume und warf sie quer durch den Wohnwagen. Bubi Garschmal hockt auf dem Sofa neben seinen Scheißverwandten aus Kroatien, lügt ihnen ins Gesicht und spielt ihnen den selbständigen, verantwortungsvollen Jungen vor, der fast schon erwachsen ist, fast, ich liege hier und spüre zum ersten Mal in meinem Leben, wie sich mein Kopf wirklich anfühlt. Ich geh zu meinen Eltern, ja, ich geh zu ihnen, bitte sie um Verzeihung dafür, dass ich ihre Ehre beschmutzt habe, und verlange, dass sie sehen, wer ich bin. Dass sie akzeptieren, wer ich bin. Ich will, dass sie mir verzeihen, gleich, gleich steh ich auf und geh zu ihnen, und ich will, dass sie mich sehen, gleich steh ich auf und geh zu ihnen, geh heim, Ayfer, sie müssen dir verzeihen, gleich.
    Ich bin doch ihr Mädchen.

4
    Das Geräusch der Hammerschläge schwirrte über den geriffelten See und verlor sich als schwaches Echo zwischen den Baumstämmen. Beim Jagdschloss am Ende des Vorderen Langbathsees schlug wohl jemand Zaunpfähle in den weichen Sumpfgrund.
    Die Frau hatte Roberta wie versprochen an den See gebracht; als sie an der Kreh vorbeigefahren waren, hatte sie auf ein Holzhaus mit blinden Fenstern gedeutet, das inmitten einer hochstehenden Wiese am Waldrand stand. Dort wohnte ihr Vater, nicht länger fähig, das Haus zu verlassen, aber nicht bereit, ins Altenheim umzuziehen. Die Frau hatte einen Blick in den Rückspiegel geworfen, bevor sie zugab, ihren Vater zu verstehen. Ihre Tochter hatte still hinter ihnen gesessen und Prinz gestreichelt, der in die vorbeiziehende Landschaft hinaussah, wie er es immer tat, wenn er in einem Auto saß.
    Das Gasthaus beim Seeparkplatz war geschlossen; einige Fenster des Erdgeschosses waren mit Brettern vernagelt, einige waren zerschlagen. Auf der Terrasse war ein Motorblock auf eine Holzpalette gewuchtet worden, schwarz und ölverschmiert. Als Kind hatte Roberta hier Eis gegessen und Limonade getrunken; die Zeit glitt rückwärts, während sie mit Prinz auf den bekiesten Weg trat, der durch

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