Wald
Bruder, ha --- es ist nur so, dass ---«
»Schon gut, Envin. Das war doch nur ein Spaß. Ich weiß doch, dass ich mir keine Sorgen machen muss um meinen kleinen Bruder.«
Sidus legt fröhlich seinen Arm um Envins Schultern.
»Komm mit, Envin, ich muss dem Fürsten einen großartigen Vorschlag machen. Das musst Du dir anhören.«
Sidus lässt ihn los und stolziert auf Svetopluks Tafel zu. Envin bleibt verdutzt zurück.
»Mein Fürst, Euer ergebener Diener möchte Euch etwas von großer Bedeutung vorschlagen!«, sagt Sidus, als er vor Svetopluk tritt, so laut, dass ihn jeder im Saal hören kann. Die Anwesenden verstummen.
»Sagt Fürst Svetopluk, ist es nicht so, dass in den Wäldern im Norden ein teuflischer Drache haust? Eine Bestie, so furchterregend, dass kein Bauer sich je getraut hat, nördlich der Stadt Felder anzulegen und dass kein Händler je in diese Richtung aufbrach und lebend zurückkehrte. Spreche ich nicht die Wahrheit?«
Svetopluk lässt sein Weinglas absinken.
»Wovon redet Ihr, Sidus? Jeder in diesem Saal weiß um den Drachen und um seine Boshaftigkeit. Wollt Ihr uns etwa belehren, als wären wir Kinder?«
Sanftes Kichern erfüllt den Raum.
»Nein, mein Herrscher!«, Sidus verbeugt sich.
»Es ist nur so, dass ich beschlossen habe, gegen das Untier zu ziehen, um Euer Reich für alle Zeiten von der Bedrohung zu befreien.«
Sidus dreht sich mit strahlenden Augen zur Menge, während ein erschrockenes Raunen durch den Saal geht. Graf Harad verschluckt sich an seiner Schweinekeule.
»Ihr beliebt zu scherzen. Ihr wisst ganz genau, dass in den letzten hundert Jahren zahlreiche Edelmänner auf Drachenjagd gingen, der letzte war vor drei Jahren der edle Palamon, Ihr erinnert Euch möglicherweise noch an ihn. Keiner ist jemals lebend zurückgekehrt! Seid Ihr wirklich so wagemutig, Sidus?«
»Selbstverständlich! Ich werde nicht klein beigeben nur wegen eines Drachens. Euer Volk hat ein Recht darauf, an jedem Ort frei zu leben. Es ist sozusagen meine Pflicht als Heerführer Eurer Streitkräfte, dafür zu sorgen, dass dies auch wirklich so ist.«
»Euer Mut imponiert Uns, Sidus. So soll es also geschehen. Wenn Ihr gegen die Bestie ziehen wollt, könnt Ihr meinen Segen erhalten. Es gibt nur eine Voraussetzung.«
»Aber mein Fürst«, unterbricht Graf Harad. »Habt Ihr denn vergessen, worüber ich mit Euch sprach?«
»Schweigt Harad. Wollt Ihr etwa einem jungen Mann den Weg zu der größten Heldentat versperren? Vielleicht sollte ich dann an seiner Stelle Euch gegen das Untier ziehen lassen?«
Der Graf sieht schweigend zu Boden.
»Nein?«
Svetopluk sieht sich im Saal um.
»Gibt es vielleicht sonst noch jemand, der gerne auf Drachenjagd gehen möchte?«
Schweigen.
»Nun denn, Sidus, Ihr seid tatsächlich der Einzige meiner Untertanen, der die Furchtlosigkeit besitzt, in die Wälder im Norden zu ziehen, dann sollt Ihr es auch tun. Die einzige Bedingung, die ich stelle, ist, dass Euer Bruder Euch begleitet.«
Envins Gesicht erbleicht.
»Was wäre der größte Held ohne einen tapferen Begleiter!«
»Aber«, stammelt Envin.
»Was hast Du, Bruder? Freu dich, dass auch Du einen kleinen Platz in den Geschichtsbüchern erhalten wirst!«
Sidus dreht sich wieder zu Svetopluk. »Abgemacht, so soll es sein!«
»Gut, trefft die nötigen Vorbereitungen und brecht in drei Tagen auf.«
Svetopluk erhebt seinen Körper vom Sessel und breitet seine Arme aus.
»Und nun lasst uns diese Feier gebührend fortführen!«
Er klatscht in die Hände, worauf die Musiker umgehend ein neues Lied anstimmen. Sidus geht zurück zu seinen Soldaten, die ihn mit Hochrufen und Trinksprüchen begrüßen. Envin steht wie angewurzelt da. Er sieht sich nach Llyle um, die gerade Ihrer Zofe ins Ohr flüstert, aufsteht und dann hinausbegleitet wird. Envin will Ihr hinterherlaufen, wird aber vom Hofnarr abgepasst, kurz bevor er sie erreichen kann.
»Na, wohin will der neugeborene Heldentäter? Ihr wollt doch nicht bereits jetzt das Fest verlassen.«
Der Narr packt Envin am Arm und dreht ihn um.
»Seht Euch das an, diese Menschen feiern auch zu Eurer Ehre. Ihr wollt sie doch nicht enttäuschen? Kommt!«
Der Hofnarr zieht ihn hinter sich her zu den feiernden Kriegern. Envin setzt sich stillschweigend an den Tisch, umringt von all den grölenden Männern. Erst jetzt wird ihm das Unglück in seinen vollen Ausmaßen bewusst. Er wird sterben! Er wird nie Künstler werden! Und --- er wird Llyle niemals wiedersehen!
Er weiß
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