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Wald

Wald

Titel: Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Waechter
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diesem Klosterhof herumtreibt, könnte Euch die ein oder andere delikate Geschichte über Sidus erzählen.«
    Der Pater sieht zu Envin und legt ihm die Hand auf die Schulter.
    »Nun, macht nicht so ein langweiliges Gesicht. Es tut mir leid für Euch, wenn Ihr mit einem edleren Herzen auf diese Welt gesetzt wurdet als Euer werter Bruder, aber dann habt doch wenigstens ein wenig Verständnis für ihn.«
    Malar sieht Envin durchdringend an.
    »Envin, das Leben ist für einen jungen Ritter und einen stolzen Heeresführer auch nicht immer leicht. Selbst wenn sein Fleisch schwach ist, so ist er doch ein verletzliches Wesen. Denkt Ihr etwa, der Tod Eurer Mutter wäre ohne Narben auf seiner Seele zu hinterlassen an ihm vorüber geschritten? Oder der Tod Eures Vaters? Er musste beweisen, dass er in der Lage ist, die Familienführung zu übernehmen. Das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Natürlich hat er unerfüllte Sehnsüchte, und er ist ein paar Rockzipfeln zu viel hinterher gelaufen. Die Frage ist doch viel eher, was ihm fehlt, dass er soviel Anerkennung braucht?«
    Envin sieht schweigend zu Boden. Der Pater lässt seine Schulter los und kniet sich zu seinen Palmen.
    »Was für ein intensives Grün diese Blätter haben, findet Ihr nicht auch?«
    Envin sieht auf, ohne ihn zu beachten. Auf der gegenüberliegenden Seite des Kreuzgangs schleicht Llyle entlang und tritt durch den Durchgang zur Klosterkapelle. Envins Herz hüpft, als er sie sieht. Die Reinheit ihrer Erscheinung wischt die Gedanken an die Erlebnisse der letzten Nacht beiseite. Den ganzen Morgen hat er nachgesinnt, warum das, was er mit angesehen hat, ihn derart aufgewühlt hat, obwohl es ihn doch eigentlich abstoßen sollte. Jetzt wo er sie sieht, ist das alles vergessen. Envin läuft los, ohne sich von dem Pater zu verabschieden.
    »Übrigens --- das Böse steckt in jedem Menschen! Davor solltet auch Ihr Euch besser in acht nehmen, anstatt nur bei Eurem Bruder die Fehler zu suchen«, ruft der Pater ihm noch hinterher.
     
    Der Narr steht in Svetopluks Gemächern und zieht den Vorhang des Himmelbetts zur Seite.
    »Es verlangte Euch nach meiner liebreizenden Gesellschaft, mein grundgütiger Gebieter?«
    Der Fürst liegt in ein weißes Leinentuch gewickelt da und starrt mit aufgerissenen Augen an die Decke des Bettes.
    »Oh, ha, wie seht Ihr denn aus? Auch für einen Despoten geziemt es sich doch nicht den ganzen Tag zu verschlafen.«
    »Ich will heute nicht aufstehen«, nörgelt Svetopluk. »Nein, nein.«
    »Warum habt Ihr mich dann rufen lassen?«
    »Ich habe von Ihr geträumt.«
    »Na und? Wenn Ihr Euer Betttuch befeuchtet habt, dann rufe ich gerne einen Eurer Dienstknechte, und ---«
    »Sie erschien mir wie ein Engel, nur dass ihre Flügel schwarz waren. Schwarz wie Pech --- und dann tauchte hinter Ihr der Drache auf und ich wollte ihr zurufen, sie solle sich in Sicherheit bringen, doch das Monster richtete sich hinter ihr auf und sie beachtete es gar nicht --- sie starrte mich nur an --- mit diesem Blick.«
    »Und? Trug sie auch ein schwarzes Engelsgewand zu den Flügeln, oder trug sie etwa gar kein Gewand?«
    Der Narr lacht mit seiner krächzenden Stimme.
    Svetopluk schwitzt. Dann dreht er seinen Kopf zum ersten Mal in die Richtung seines Gegenübers.
    »Narr, ich weiß nicht, ob ich jemals wieder aufstehen kann, bevor ich sie nicht besitze. Ich, ich fürchte, ich verliere den Verstand.«
    Svetopluk greift nach des Narren rechtem Arm.
    »Gehe Er ins Kloster, um für mich zu beten. Bitte.«
    Verwunderter Blick des Narren.
    »Ihr verliert in der Tat Euren herrlichen Verstand, mein vielverständiger Diplomat!«
    Er reißt seinen Arm los.
    »Aber warum nicht«, sagt der Narr. »Wie ich hörte, ist auch Envin heute Morgen zu den Mönchen marschiert. Bei der Gelegenheit kann ich also nachsehen, wie es um unseren Zögling steht.«
    Er macht einen Schritt rückwärts und verbeugt sich.
    »Soll ich den Vorhang wieder zu ziehen?«
     
    Llyle sitzt in der vordersten Bankreihe und hat ihren Kopf gesenkt. Envin steht in dem Portal, das in die Kapelle führt, und sieht sie an. Er hat eine Idee. Flink dreht er sich um und tritt wieder auf den Kreuzgang. Er läuft einige Schritte und betritt die Schreibstube. Außer ihm befindet sich niemand im Saal, das ist gut. Der Geruch der Pergamentrollen und der ledernen Bucheinbände erfüllt ihn mit neuem Leben, als er die schwere Holztür hinter sich schließt. Envin bleibt einen Moment stehen, bewegt sich nicht und sieht sich

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