Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
Vom Netzwerk:
ausgezeichneten Angler und Kenner des Waldlebens, der sich ein Vergnügen daraus
    machte, mein Haus als einen Unterstand für Fischer zu
    -1 6 7 -

    betrachten. Auch ich machte mir ein Vergnügen daraus, ihm zuzusehen, wenn er an meiner Tür saß und seine Angeln
    richtete. Wir angelten manchmal zusammen, er an dem einen Ende des Bootes, ich am anderen; doch wir redeten nur wenig miteinander, denn er war in den letzten Jahren taub geworden.
    Gelegentlich summte er einen Psalm vor sich hin, was
    ausgezeichnet mit meiner Philosophie übereinstimmte. Unsere Beziehung war daher von ungetrübter Harmonie, und ich
    erinnere mich ihrer mit viel größerem Vergnügen, als wenn wir uns miteinander unterhalten hätten. Fand sich, wie es
    gewöhnlich der Fall war, keine Gesellschaft für mich, dann weckte ich durch die Schläge mit dem Ruder gegen die
    Seitenwände des Bootes das Echo und erfüllte die Wälder der Umgebung mit Klängen, die immer weiter ihre Kreise zogen, bis ich, wie ein Menageriebesitzer seinen wilden Tieren, jeder Waldschlucht, jedem Hang ein Brummen entlockt hatte. An warmen Abenden saß ich häufig im Boot und spielte Flöte.
    Dazu umringten mich die Barsche, die ich mit meinem Spiel zu bezaubern schien, während der Mond über den geriffelten Grund wanderte, auf dem Relikte des Waldes verstreut lagen.
    Auch früher war ich hie und da in dunklen Sommernächten mit einem Freund an den See gekommen. Damals hatten wir am
    Rande des Wassers ein Feuer gemacht, weil wir dachten, es ziehe die Fische an. Mit einem Bündel Würmer, das wir an eine Schnur banden, fingen wir Lampreten. Und wenn wir tief in der Nacht Schluß machten, warfen wir die brennenden Scheite wie die Raketen eines Feuerwerks hoch in die Luft, die dann mit lautem Zischen im See verlöschten. Dann waren wir plötzlich von stockdunkler Nacht umgeben, und, eine Melodie vor uns hinpfeifend, kehrten wir in den Bereich der Menschen zurück.
    Nun aber hatte ich an diesem Ufer meine Wohnstätte
    aufgeschlagen.
    Hatte ich mich bei einer Familie im Ort so lange aufgehalten, bis sie schlafen ging, dann kehrte ich in den Wald zurück und fischte bis Mitternacht, zum Teil schon in Gedanken an das nächste Mittagessen. Und während der Mond mein Boot.
    beschien, lauschte ich den Serenaden der Eule und des
    -1 6 8 -

    Fuchses, in die sich von Zeit zu Zeit der schräge Ton eines unbekannten Vogels in meiner Nähe mischte. Es waren
    unvergeßliche und wertvolle Erlebnisse für mich. Wenn ich, von Tausenden kleiner Barsche und Weißfische umringt, die mit ihren Schwanzflossen die mondbeschienene Wasserfläche
    kräuselten, zweihundert Yard vom Ufer entfernt über einer Tiefe von vierzig Fuß verankert lag und die lange Flachsleine mich mit den unsichtbaren Fischen in der geheimnisvollen Tiefe verband, oder ich die Leine in ihrer vollen Länge hinter mir herziehen mußte, weil ich von der nächtlichen Brise
    abgetrieben wurde - dann fühlte ich hie und da ein leises Vibrieren die Leine entlanglaufen, ein Anzeichen dafür, daß sich an ihrem Ende dumpf, ungewiß und in irriger Absicht etwas Lebendiges regte und sich nur schwer zu einem Entschluß durchringen konnte. Erhob ich mich dann langsam und zog Griff um Griff die Leine ein, tauchte meist platschend und um sich schlagend eine Lamprete über dem Wasser auf. Es war,
    besonders in dunklen Nächten, wenn meine Gedanken weitab in andere Sphären zu kosmologischen Themen abirrten, sehr eigenartig, dieses leichte Zucken zu fühlen, das mich jäh aus den Träumen riß und wieder in die Natur zurückführte. Dann kam es mir oft vor, als könnte ich die Leine ebensogut auch nach oben in die Luft werfen wie in dieses nur wenig dichtere Element. Und ich fing gewissermaßen zwei Fische mit einem Haken.
    Die Landschaft um den Waldensee ist zwar sehr schön, doch hat sie nichts Großartiges an sich. Wenn man sie nicht gut kennt oder dort gelebt hat, wird sie einem wenig Eindruck machen. Und doch ist der See seiner Tiefe und Klarheit wegen so bemerkenswert, daß er eine genauere Beschreibung
    verdient. Er ist ein klarer, tiefer grüner Brunnen, etwa eine halbe Meile lang, eindreiviertel Meilen im Umkreis und umfaßt eine Fläche von ungefähr einundsechzigeinhalb Morgen; eine beständige Quelle inmitten von Nadel- und Eichenwäldern ohne jeden sichtbaren Zufluß und Abfluß, außer durch Regen und Verdunstung. Das ihn umgebende Hügelland steigt direkt aus dem Wasser zu einer Höhe von vierzig bis achtzig Fuß, im
    -1 6 9

Weitere Kostenlose Bücher