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Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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gesunder Mann empfindet, wird schließlich über alle Beweisgründe und Gebräuche des Menschengeschlechtes triumphieren. Noch nie ist ein Mensch durch seinen Genius irregeführt. Und mag das Resultat auch bisweilen körperliche Schwäche sein, so kann doch wohl niemand behaupten, daß man solche Folgen bedauern müsse, denn gerade sie zeitigten ein Leben, das sich auf höheren Prinzipien harmonisch aufbaute. Wenn Tag und Nacht so auf uns wirken, daß wir sie mit Freuden begrüßen, wenn das Leben duftet wie Blumen oder balsamische Kräuter, wenn es elastischer, sternenreicher, unsterblicher wird – ja dann wollen wir lieber von Erfolgen sprechen. Die ganze Natur beglückwünscht uns, und für einen Augenblick mögen wir uns getrost selig preisen. Die größten Reichtümer und Werte werden amwenigsten geschätzt. Der Glaube an ihre Existenz ist gar leicht erschüttert. Wir vergessen sie schnell. Sie sind die höchste Realität. Vielleicht teilt nie ein Mensch dem anderen die staunenswertesten, realsten Dinge mit. Die wahre Ernte meines täglichen Lebens ist etwas so völlig Körperloses und unbeschreibliches wie die Himmelsfärben am Morgen oder Abend. Ein wenig Sternenstaub, ein Stückchen Regenbogen, den ich umklammert hielt – das ist meine Ernte ... Ich persönlich war indessen nie besonders heikel. Ich konnte, wenn es nötig war, eine geschmorte Ratte mit Appetit verzehren. Ich bin aus dem gleichen Grunde froh, so lange Zeit Wasser getrunken zu haben, als ich den natürlichen Himmel dem Paradiese des Opiumrauchers vorziehe. Ich möchte gern immer nüchtern bleiben, aber es gibt so unendlich viele Grade von Trunkenheit. Ich glaube, Wasser ist das einzige Getränk für einen verständigen Menschen. Wein ist keine solch edle Flüssigkeit. Wer aber möchte die Hoffnungen am Morgen mit einer Tasse heißen Kaffees, wer die Hoffnungen am Abend mit einer Kanne voll Tee vernichten? O, wie tief falle ich, wenn sie mich zu locken vermögen! Selbst Musik kann berauschend wirken. Solch scheinbar kleine Ursachen zerstörten Griechenland und Rom, sie werden auch England und Amerika zerstören. Kann man auf schönere Weise berauscht werden als durch die Luft, die man atmet? Ich bin zu der Ansicht gekommen, daß der schwerwiegende Vorwurf gegen grobe, lang andauernde Arbeit in der Tatsache liegt, daß sie mich zwingt, in gröberem Maße zu essen und zu trinken. Doch muß ich der Wahrheit gemäß gestehen, daß ich jetzt in dieser Hinsicht weniger heikel bin. Ich bringe nicht so viel Religion zu Tische mit und spreche kein Tischgebet, nicht weil ich verständiger bin als ich war, sondern weil ich mit den Jahren stumpfer und gleichgültiger geworden bin. Vielleicht beschäftigt man sich mit solchen Fragen nur während der Jugendzeit. Bei der Poesie ist diese Annahme ja ganz landläufig. Meine Theorie ist hier, meine Praxis ist nirgends. Trotzdem bin ich weit entfernt, mich für einen jener Auserwählten zu halten, von denen es in den Veden heißt: "Wer wahren Glauben an das allgegenwärtige höchste Wesen hat, der mag essen, wasexistiert," das heißt, er braucht sich nicht darum zu bekümmern, woraus seine Nahrung besteht oder wer sie ihm zubereitet. Und selbst in diesem Falle – so sagt ein Hindukommentator – muß noch hinzugefügt werden, daß der Vedenausleger diesen Vorzug auf "Zeiten der Not" beschränkt.
     
    Wer hat nicht bisweilen aus seiner Nahrung jene unaussprechliche Befriedigung gesogen; die mit dem Appetit nichts zu tun hatte? Der Gedanke, daß ich dem groben Geschmacksinn eine geistige Vorstellung verdankte, daß ich durch den Gaumen inspiriert wurde, daß ein paar Beeren, die ich am Hügelhang verzehrte, meinem Genius Nahrung waren, hat mich geradezu erschüttert. "Weil die Seele nicht über sich selbst Herrin ist," sagt Thseng-tsen, "so sieht man, aber man schaut nicht, man lauscht, aber man hört nicht, man ißt, aber man kennt den Geschmack der Speisen nicht." Wer den wahren Geschmack seiner Nahrung zu erkennen vermag, kann nie ein Schlemmer sein. Wer es nicht vermag, der ist es stets. Ein Puritaner kann seine Schwarzbrotrinde mit dem gleichen, rohen Appetit verzehren wie der Herr Stadtverordnete seine Schildkrötensuppe. Was zum Munde eingehet, das verunreinigt den Menschen nicht sondern das sinnliche Verlangen, mit dem es verzehrt wird. Nicht die Qualität oder die Quantität, sondern das Zugeständnis an die Sinnlichkeit ist verächtlich. Speisen sollen zur Erhaltung unseres animalischen und zur

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