Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
Vom Netzwerk:
Nahrung war in meinem Falle ihre Unreinlichkeit. Außerdem fühlte ich mich meistens durchaus nicht gesättigt, wenn ich meine Fische gefangen, gereinigt und gegessen hatte. Es kam mir vor wie etwas Unbedeutendes, Unnötiges, das so viel Mühe nicht verdiente. Einige Scheiben Brot oder ein paar Kartoffeln hätten bei weniger Arbeit und Schmutz die gleichen Dienste geleistet. Wie manche meiner Zeitgenossen hatten viele Jahre lang kaum irgend welche animalische Nahrung, auch nicht Tee, Kaffee oder dergleichen, genossen. Nicht weil diese Dinge irgend welche unangenehme Wirkung bei mir hervorriefen, sondern weil sie meinem Gefühl, meiner Vorstellung nicht zusagten. Die Abneigung gegen animalische Nahrung resultiert nicht aus der Erfahrung, sondern wurzelt im Instinkt. Theoretisch hielt ich es für richtiger, bei einfacher Nahrung in mancherHinsicht dürftig zu leben; und wenn ich mich auch praktisch nicht dazu entschließen konnte, wünschte ich doch meine Sinne zufrieden zu stellen. Ich glaube, daß gerade die Menschen, welche ernstlich darauf Wert legen ihre edleren oder poetischen Fähigkeiten im besten Zustande zu erhalten, animalische Nahrung und größere Nahrungsmengen irgend welcher Art überhaupt vermeiden. Es ist eine wichtige, von Entomologen festgestellte Tatsache – ich verweise auf Kirby und Spence –, daß "manche vollentwickelte Insekten, obwohl sie mit Freßwerkzeugen ausgestattet sind, keinen Gebrauch davon machen". Sie behaupten ferner, es sei eine allgemeine Regel, daß fast alle Insekten in diesem Zustand viel weniger fressen als im Larvenzustand. "Die gefräßige Raupe, die sich in einen Schmetterling verwandelte"... "und die gierige Made, welche zur Fliege wurde"..., sind mit einem oder zwei Tropfen Honig oder mit irgend einer anderen süßen Flüssigkeit zufrieden. Das Abdomen unter den Flügeln des Schmetterlings stellt noch immer die Larve vor. Das ist der Leckerbissen, der sein insektenfressendes Schicksal reizt. Wer viel ißt, gleicht einem Menschen im Larvenzustand. Es gibt ganze Nationen, die sich in diesem Zustande befinden, Nationen ohne Ideen, ohne Phantasie. Man kann sie an ihrem aufgetriebenen Abdomen erkennen.
     
    Der Erwerb und die Zubereitung einer Diät, die so einfach und zuträglich ist, daß die Sinne nicht durch sie beleidigt werden, ist schwierig. Die Sinne aber sollen meiner Ansicht nach zugleich mit dem Körper ernährt werden. Beide sollen von demselben Tische speisen. Ist denn das unmöglich? Wenn wir Früchte in mäßiger Weise genießen, so brauchen wir uns unseres Appetites nicht zu schämen, noch zu befürchten, unsere höchsten Ziele aus den Augen zu verlieren. Fügt man aber ein Extragewürz zu einem Gericht, so wird es uns vergiften. Es lohnt sich sicherlich nicht, "feine Küche" zu führen. Den meisten Menschen würde es peinlich sein, wenn man sie bei der eigenhändigen Zubereitung jener Mahlzeit überraschte, die sie sich täglich, sei es aus vegetabilischen, sei es aus animalischen Bestandteilen von anderen herstellen lassen. Solange so etwasmöglich ist, sind wir nicht zivilisiert. Mögen wir uns auch Herren und Damen nennen, wir sind trotzdem keine echten Männer und Frauen. Dies deutet sicherlich an, wo Wandel geschaffen werden muß. Warum die Sinne sich nicht mit Fleisch und Fett auszusöhnen vermögen, scheint mir eine nutzlose Frage zu sein. Mir genügt die Tatsache, daß es unmöglich ist. Der Mensch ein fleischfressendes Tier! Ist das kein Vorwurf? Allerdings: er kann leben, er lebt zum großen Teil, indem er andere Tiere verzehrt. Doch ist es ein klägliches Unterfangen, und jeder, der Kaninchen jagt oder Lämmer schlachtet, kann sich davon überzeugen. Wer aber lehrt, sich auf eine unschuldigere und zuträglichere Nahrung zu beschränken, der wird als ein Wohltäter seines Volkes betrachtet werden. Ganz abgesehen von meinem persönlichen Standpunkt zu dieser Frage bezweifle ich nicht, daß in der allmählichen Weiterentwicklung der Menschheit auch der Zeitpunkt kommen wird, wo Tiere nicht mehr verzehrt werden. Die Wilden haben aufgehört, sich untereinander aufzufressen, wenn sie mit zivilisierten Völkern in Berührung kamen.
     
    Wer aber auf die leisen, beharrlichen und sicherlich wahren Ratschläge seines Genius horcht, der weiß nicht, bis zu welchen Extremen, ja bis zu welchem Wahnsinn sie ihn führen mögen. Und doch: wird er mutiger, treuer, dann liegt sein Weg in dieser Richtung. Ein noch so geringer aber berechtigter Einwand, den ein

Weitere Kostenlose Bücher