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Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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geworden. Ich weiß, daß in mir wie in den meisten Menschen ein instinktives Sehnen nach einem höheren, oder wie man so sagt, seelischen Leben wohnte und noch wohnt, und daß dieses Sehnen mit dem Verlangen nach einem primitiven und wilden Leben sich vereint. Beides achte ich gleich hoch. Ich liebe das Wilde ebenso sehr wie das Gute. Noch immer ziehe ich gern zum Fischen aus, weil mich das Grenzenlose und das Abenteuerliche dieser Beschäftigung lockt. Es macht mir bisweilen Freude, allen Instinkten im Leben freie Bahn zu geben, wie es die Tiere tun. Vielleicht wurde durch diese Vorliebe und durch die Jagd, der ich schon als Knabe oblag, meine innige Vertrautheit mit der Natur gezeitigt. Auf diese Weise werden wir frühzeitig mit solchen Landschaften bekannt und verwandt, die uns sonst in diesem Alter verborgen bleiben. Fischer, Jäger und Holzfäller, die ihr Leben in Feldern und Wäldern verbringen, die in gewissem Sinne ein Teil der Natur selbst sind, vermögen oft, wenn sie von ihrer Arbeit ausruhen, tiefer das Wesen der Natur zu erfassen als Philosophen odergar Dichter, die sich ihr mit Erwartungen nähern. Jenen offenbart sich die Natur willig. Wer durch die Prärien wandert, ist naturgemäß ein Jäger, an den Quellen des Missouri und des Columbiaflusses ein Schlingensteller, und an dem Fall von St. Mary ein Fischer. Wer nur reist, um zu reisen, der lernt alles halb und aus zweiter Hand, der ist eine schlechte Autorität. Unser Interesse wird am meisten erregt, wenn die Wissenschaften das bestätigen, was jene Menschen schon praktisch oder instinktiv wissen. Denn dieses Wissen allein ist das Kriterium wahrer "Menschlichkeit" oder die Geschichte menschlicher Erfahrung.
     
    Man irrt, wenn man behauptet, daß der Yankee wenige Vergnügungen kenne, weil er nur spärlich Feiertage habe und weil Männer und Knaben sich nicht soviel wie in England mit Spielen beschäftigen. In Amerika werden die naturwüchsigen, wenn auch einsamen Vergnügungen – Jagen, Fischen usw. am meisten bevorzugt. Fast jeder Neuengländer unter meinen Altersgenossen nahm, wenn er zehn bis vierzehn Jahre alt war, seine Vogelflinte in den Arm. Sein Fischereigebiet und seine Jagdgründe waren nicht begrenzt wie die des englischen Aristokraten, sondern unbeschränkter selbst als die eines Wilden. Kein Wunder also, wenn er nicht häufiger zum Spiel auf der Gemeindewiese daheimblieb. Doch schon tritt eine Veränderung zutage, die nicht so sehr auf gesteigerte Humanitätsgefühle als auf das allmähliche Aussterben des Wildes zurückzuführen ist. Der Jäger ist aber vielleicht der beste Freund des gejagten Wildes, – trotz der Tierschutzvereine.
     
    Während ich am Teich wohnte, wünschte ich ab und zu in meine Speisekarte durch Fisch etwas Abwechselung zu bringen. Ich fischte also tatsächlich aus demselben zwingenden Grunde wie die ersten Fischer. Was ich an Humanitätsgefühlen dagegen mobil machte, war eitel Künstelei und ging mehr meine Philosophie als mein Empfinden an. Ich spreche jetzt nur vom Fischen, denn über die Vogeljagd habe ich meine Ansichten schon vor langer Zeit geändert. Meine Büchse verkaufte ich, bevor ich in den Wald zog. Ich glaube nicht weniger human zu sein als andere Menschen, ich bemerkte nur nicht,daß meine Gefühle stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Ich bedauerte weder die Fische noch die Regenwürmer. Das machte die Gewohnheit. Wenn ich auf die Vogeljagd ging, so entschuldigte ich mich in den letzten Jahren, wo ich eine Flinte besaß, mit dem Studium der Ornithologie. Nur auf mir unbekannte, seltene Vögel kam es mir an. Allerdings muß ich gestehen, daß ich darüber jetzt anderer Ansicht bin. Ornithologie läßt sich ja auch auf eine würdigere Weise betreiben. Diese Methode verlangt eine weitaus schärfere Beobachtung der Gewohnheiten der Vögel, daß ich schon aus diesem Grunde gern auf mein Gewehr verzichtete. Und wenn auch die Humanität Einspruch erhebt: Ich zweifle, ob diese körperlichen Übungen je durch etwas gleich Wertvolles ersetzt werden können. Drum habe ich auch einigen meiner Freunde, die besorgt mich fragten, ob sie ihren Jungen das Jagen erlauben sollten, Ja! geantwortet und zugleich mich erinnert, daß die Jagd einen der besten Teile meiner Erziehung bildete. Erzieht die Jungen zu Jägern! Mögen sie's auch anfangs nur dilettantisch betreiben, vielleicht werden sie dereinst gewaltige Jäger, denen kein Wild in diesem oder in irgend einem anderen Urwald groß genug ist:

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