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Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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und macht neu heranwachsenden Wäldern Platz. Er ist der letzte dieses Geschlechtes, der einzige Überlebende aus dieser Familie. Die schwarzbraunen Kinder hatten wohl kaum daran gedacht, daß der kleine Setzling mit seinen zwei Knospen,den sie im Schatten des Hauses in den Erdboden steckten und täglich wässerten, so fest Wurzel fassen, sie überleben, sich hinter dem Hause im Schatten wohlfühlen, und dereinst in alter Leute Garten stehen würde, um dem einsamen Wanderer, ein halbes Jahrhundert nachdem sie erwachsen und gestorben waren, leise ihre Geschichte zu erzählen – noch immer so lieblich blühend, so hold duftend wie damals im ersten Frühling. Ich betrachte noch immer gern seine zarten, milden, heiteren Lilafarben.
     
    Doch warum schwand dieses kleine Dörfchen, dieser mehr versprechende Keim dahin, während Concord sich behauptete? Satte es keine natürlichen Vorteile – keine Wasserprivilegien? Ach, der tiefe Waldenteich und der kühle Bristerquell, das Vorrecht, einen herzhaften, stärkenden Trunk aus ihnen zu tun, diente diesen Menschen nur dazu, ihr "Gläschen" zu verdünnen. Sie gehörten alle einem durstigen Geschlecht an. Hätten nicht der Korbflechter, der Stallbesenbinder, der Mattenflechter, der Maisröster, Leinenspinner und der Töpfer hier ihr gutes Fortkommen finden können, so daß die Wildnis erblüht wäre wie eine Rose und eine zahlreiche Nachkommenschaft das Land ihrer Väter ererbt hätte? Vielleicht wäre der unfruchtbare Boden hier imstande gewesen, einer Degeneration, wie man sie bei Menschen in fruchtbaren Gegenden antrifft, vorzubeugen.
     
    Ach, wie wenig trägt die Erinnerung an diese menschlichen Bewohner dazu bei die Schönheit der Landschaft zu steigern! Vielleicht will die Natur mit mir als ersten Ansiedler einen neuen Versuch machen. Vielleicht will sie mein Haus, das ich im letzten Frühjahr baute, zum ältesten im Dörfchen machen ...
     
    Kein Anzeichen scheint mir dafür zu sprechen, daß je ein Mensch auf dem Fleckchen Erde, das ich bewohne, gebaut hat. Ich möchte wahrlich nicht in einer Stadt wohnen, die über einer älteren Stadt erbaut wurde, deren Material Ruinen, deren Gärten Kirchhöfe sind. Der Boden ist dort gebleicht und verflucht. Ehe man aber wirklich zu solchem Mittel greifen muß, wird die Erde selbst schon zerstört sein. Mit solchen Erinnerungen bevölkerte ich aufs neue den Wald und sang mich in Schlummer.
     
    Am diese Zeit erhielt ich selten Besuch. Wenn der Schnee sehr hoch lag, wagte sich oft acht bis vierzehn Tage lang kein Wanderer in die Nähe meines Hauses. Ich lebte indessen dort so still versteckt wie eine Feldmaus, oder wie Haustiere und Geflügel, wie jene Tiere, die selbst ohne Futter oft lange Zeit im Schnee vergraben sind und doch, wie man sagt, am Leben bleiben. Oder wie die Familie eines der ersten Ansiedler in der Stadt Sutton in Massachusetts, dessen Hütte im Jahre 1717 während seiner Abwesenheit durch den starken Schneefall völlig bedeckt wurde, so daß ein Indianer sie nur an dem Loch, welches der Atem des Kamins sich in den Schnee gemacht hatte, entdeckte und die Rettung der Familie herbeiführen konnte. Kein freundlicher Indianer kümmerte sich indessen um mich. Es war auch nicht nötig – der Hausherr war daheim. Das große Schneetreiben! Wie lustig das klingt! Die Farmer konnten mit ihren Pferden nicht in die Wälder und zum Moor kommen, und mußten die schattenspendenden Bäume vor ihren Häusern fällen. Doch als die Schneekruste fest genug war, fällten sie Bäume im Moor – zehn Fuß über dem Erdboden, wie sich im nächsten Frühjahr herausstellte.
     
    Im tiefsten Schnee sah der etwa eine halbe Meile lange Pfad, den ich benutzte, um von der Landstraße nach meinem Häuschen zu gelangen, wie eine ganz unregelmäßig gewundene und besprenkelte Linie aus, zwischen deren Tüpfeln sich große Zwischenräume befanden. Eine ganze Woche lang machte ich bei dem gleichen Wetter genau die gleiche Anzahl Schritte beim Hin- und Rückweg, indem ich bedachtsam und mit der Präzision eines Zirkels in meine eigenen, tiefen Fußtapfen trat. Zu solchem Schlendrian verlockt uns der Winter. Oft waren sie jedoch mit des Himmels eigenem Blau bedeckt. Durch kein Wetter ließ ich mich je von meinen Spaziergängen oder vielmehr von meinen Streifzügen abschrecken, denn oft stampfte ich acht bis zehn Meilen weit durch den tiefsten Schnee, um eine Verabredung mit einer Buche, mit einer Gelbbirke oder mit einer alten Bekannten unter den

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