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Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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fürchteten, sondern stattlich hin und her schwammen, wie dieWolken, die im Westen am Himmel schweben, oder wie die Perlmutterflocken, die sich bisweilen dort bilden und wieder auflösen. Da arbeiteten wir, revidierten die Mythologie, rundeten hier und da eine Legende ab und bauten Schlösser in die Luft, für welche die Erde keine würdige Basis bot. Du großer Seher! Du großer Erwarter! Wenn Du Dich mit mir unterhieltest, dann wars wie ein Märchen aus Neuenglands "Tausend und eine Nacht". Ja, wie wir uns unterhalten konnten, wir drei: der Eremit, der Philosoph und der alte Ansiedler, von dem ich schon sprach! Da dehnte sich mein Haus und krachte in den Fugen. Ich wage nicht zu sagen, um wie viele Pfund der atmosphärische Druck auf jeden Quadratzoll erhöht wurde. Meine Hütte öffnete aber ihre Nähte so sehr, daß sie hernach an recht stillen Tagen wieder zugekalkt werden mußten, um ein dauerndes Leck zu vermeiden. Doch ich hatte schon im voraus Kalfaterwerg von dieser Sorte gezupft.
     
    Es gab noch einen anderen, mit dem er "grundlegende Stunden", die mir noch lange unvergeßlich sein werden, in seinem Haus im Dorf verlebte, und der mich von Zeit zu Zeit besuchte. Im übrigen unterhielt ich dort keinen Verkehr.
     
    Auch hier, wie überall, erwartete ich bisweilen einen Gast, der niemals kommt. Die Vishnu Purana sagt: "Der Hausherr soll um die Abendzeit so lange in seinem Hofe bleiben, als man braucht, um eine Kuh zu melken, oder auch noch länger, wenn ihm der Sinn danach steht, und die Ankunft eines Gastes erwarten." Ich kam dieser Pflicht der Gastfreundschaft oft getreulich nach, wartete so lange, daß eine ganze Kuhherde hätte gemolken werden können. Doch den Mann, der sich von der Stadt aus genähert hätte, sah ich nicht.
     
Wintertiere
 
    Wenn die Teiche fest zugefroren waren, gestatteten sie nicht nur neue und kürzere Wege nach vielen Punkten, sondern auch von ihrer Oberfläche aus neue Rundblicke auf die vertraute Landschaft. Wenn ich quer über Flints Teich ging, nachdem er mit Schnee bedeckt war, so erschien er mir, obwohl ich oft auf ihm gerudert und Schlittschuh gelaufen hatte, so überraschend breit und so fremd, daß ich unwillkürlich immer wieder an Baffins Bay denken mußte. Rund um mich herum stiegen am Horizont der schneebedeckten Ebene die Lincolnhügel empor. Ich aber konnte mich nicht erinnern, je vorher auf ihr gestanden zu haben. Die Fischer, die sich mit ihren wolfartigen Hunden in unbestimmbarer Entfernung über das Eis bewegten, erinnerten an Robbenjäger und an Eskimos, oder wirkten bei Nebelwetter in der Ferne wie monströse Geschöpfe, von denen man nicht wußte, ob sie Riesen oder Pygmäen seien. Diesen Weg über das Eis schlug ich ein, wenn ich mich abends zum Vortrag nach Lincoln begab, so daß ich zwischen meiner Hütte und dem Vorlesungssaal weder eine Straße betrat noch an einem Haus vorbeikam. Auf dem Gänseteich, der auf meinem Wege lag, wohnte eine Kolonie Bisamratten, welche ihre Nester weit über das Eis erhöht hatten. Doch ließ sich keines der Tiere blicken, als ich hinüberging. Der Walden, der wie die meisten anderen Seen nicht mit Schnee bedeckt war, oder doch nur flache und vereinzelte schneebedeckte Stellen zeigte, war mein Hof, in welchem ich ungehindert herumspielen konnte, wenn der Schnee an anderen Orten fast zwei Fuß tief den Boden bedeckte und die Dorfbewohner auf ihre Straßen allein angewiesen waren. Hier, fern von der Dorfstraße, wo ich nur nach langen Zwischenräumen das Schellengeläute derSchlitten hörte, glitt ich auf dem Eis dahin und lief Schlittschuh wie in einem großen, gut ausgetretenen Hofe, in welchem sich die Musetiere zur Winterzeit aufhalten. Eichenwälder umrahmten ihn und feierliche Tannen, die der Schnee niederbeugte oder die stolz ihre Eiszapfen emporstreckten.
     
    In Winternächten und auch oft an Wintertagen drang der hilflose, einsame Schrei einer Heuleule aus unendlicher Ferne melodisch zu mir herüber. Das war ein Ton, wie ihn die gefrorene Erde hervorbringen würde, wenn man sie mit einem passenden plectrum schlüge. Er gehörte zu der unverfälschten, mir schließlich ganz vertrauten lingua vernacula der Waldenwälder. Den Vogel, der so sprach, sah ich allerdings in solchen Augenblicken nie. Selten öffnete ich an einem Winterabend meine Tür, um diesen Klang zu hören. Hu–hu–hu–hurruh –hu schallte es wohlklingend daher, oder die drei ersten Silben klangen wie hauderduh , oder auch bisweilen nur wie

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