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Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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uns die heroischen Schriftsteller des Altertums näher zu bringen. Sie sind noch dieselben Eremiten, und die Zeichen, in denen sie reden, sind noch gerade so eigenartig und kostbar wie je zuvor. Es lohnt sich ganze Tage und kostbare Stunden daran zu wenden, um ein paar Worte einer alten Sprache zu erlernen, die, über die Trivialität der Straße erhaben, immer von neuem Anregung und Ermutigung zu geben vermögen. Wenn der Farmer die wenigen lateinischen Ausdrücke, die er gelernt hat, behält und wiederholt, so ist das keine verlorene Arbeit. Bisweilen werden Stimmen laut, die für modernere und praktischere Studien auf Kosten des Studiums der Klassiker eintreten. Der wissensdurstige Mensch aber wird sich immer wieder dem Studium der Klassiker zuwenden, einerlei, in welcher Sprache sie geschrieben oder wie alt sie sind. Denn was sind die Klassiker anders als die erhabensten und überlieferten Gedanken derMenschheit? Sie sind die einzigen, nicht verklungenen Orakel, und zu den Antworten, die sie auf die modernsten Fragen geben, waren Delphi und Dodona nicht befähigt. Wir könnten mit derselben Berechtigung das Studium der Natur aufgeben, weil sie alt ist. Gut lesen, das heißt, wahre Bücher in wahrem Geiste lesen, ist eine edle Beschäftigung, die an den Leser größere Anforderungen stellt als irgend ein Sport, der gerade modern ist. Solche Lektüre verlangt eine "Trainierung", wie sie Athleten anwenden, ja, fast das ganze Leben muß mit Aufbietung aller Kräfte diesem Gebiete gewidmet werden. Bücher soll man mit derselben Sammlung und Bedachtsamkeit lesen, mit welcher sie geschrieben sind. Es genügt nicht einmal, daß man die Sprache des Volkes, in der sie geschrieben sind, spricht. Denn es gibt eine tiefe Kluft zwischen der gesprochenen und der geschriebenen, zwischen der gehörten und der gelesenen Sprache. Die eine Form ist transitorisch, ein Klang, ein Schall, ein farbloser, fast roher Dialekt, den wir unbewußt, wie die Tiere, von unseren Müttern erlernten. Die andere ist die Blüte und Frucht der ersteren. Ist jene unsre Muttersprache, so ist diese unsre Vatersprache, eine sorgfältig erwogene Ausdrucksweise, viel zu gehaltvoll, als daß das Ohr sie vernehmen könnte. Wir müssen wiedergeboren werden, um in ihr sprechen zu können. Die vielen Menschen, die im Mittelalter griechisch und lateinisch nur sprachen , waren durch den Zufall der Geburt nicht berechtigt, die Worte des Genius, der sich in diesen Sprachen verkündete, zu lesen . Denn diese Worte waren nicht in jenem Griechisch oder Latein geschrieben, welches sie kannten, sondern in der durchgeistigten Sprache der Literatur. Sie hatten nicht die edleren Dialekte der Griechen oder Römer erlernt, nein, selbst das Material, auf dem die Alten geschrieben hatten, war für sie Makulatur. Eine seichte, zeitgenössische Literatur galt ihnen mehr. Als aber die verschiedenen Völker Europas ihre eigenen, charakteristischen, wenn auch rohen Schriftsprachen geschaffen hatten, die als Grundlage für die Weiterentwicklung der Literatur genügten, da erst wurde das Studium eifrig wieder aufgenommen, da erst war der Standpunkt erhaben genug, um die Schätze des Altertums zu erkennen. Was die Massen desgriechischen oder römischen Volkes nicht hören konnten, das lasen nach Jahrhunderten einige wenige Forscher, und einige wenige Forscher lesen es noch heute.
     
    Mögen wir auch noch so sehr eines Redners gelegentlichen Schwung bewundern: das vornehme, geschriebene Wort steht doch so weit hinter oder über der schwankenden gesprochenen Sprache, wie das Firmament mit seinen Sternen hinter den Wolken. Dort sind die Sterne: nun lese sie wer kann! Die Astronomen sind unermüdlich im Erklären und Beobachten. Das sind keine Nebelgebilde, wie unsere täglichen Gespräche, unser dampfender Atem. Was in der Öffentlichkeit als Beredsamkeit gilt, wird sich in der Studierstube meistens als Rhetorik erweisen. Der Redner ist vom Einfluß transitorischer Momente abhängig und spricht zu dem Pöbel, den er vor sich sieht, zu denen, die ihn hören können. Der Schriftsteller dagegen, dessen gleichförmigeres Leben ihm immer Gelegenheit gibt, seine Gedanken zu verkünden, würde gerade durch jene Anlässe und die Menschenmassen, die den Redner inspirieren, abgelenkt werden. Er spricht zum Geist und zum Herzen des Menschengeschlechtes, zu allen Zeiten und zu all jenen, die ihn zu begreifen vermögen.
     
    Kein Wunder, daß Alexander die Ilias immer, wenn er ins Feld zog, in einem

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