Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Rede. Als die Nacht hereinbrach, – ich will mit ihren eigenen Worten fortfahren – "wies er uns einen Platz in seinem Bett neben sich und seinem Weibe an; sie lagen an dem einen, wir am anderen Ende. Das Lager bestand aus einem etwa einen Fuß über dem Erdboden befindlichen Brett; eine dünne Matte diente als Decke. Zwei andre Häuptlinge drückten sich neben uns und auf uns, um überhaupt Platz zu finden. Auf diese Weise ermattete uns unser Quartier mehr als unsre Reise." Um ein Uhr am nächsten Tag "brachte Massassoit zwei Fische, die er geschossen hatte", ungefähr dreimal so groß wie ein Brassen.. Als diese gekocht waren, hofften nicht weniger als vierzig Personen auf einen Bissen. Die meisten bekamen etwas davon. Dies war die einzige Mahlzeit, die wir im Verlauf von zwei Nächten und einem Tag einnahmen; hätte nicht einer von uns ein Rebhuhn gekauft, so hätten wir die Reise fastend gemacht." Da die Reisenden befürchteten, aus Mangel an Nahrung und auch an Schlaf wahnsinnig zu werden – an Schlaf war nicht zu denken, weil die Wilden sich mit einem unmenschlichen Gebrüll in Schlaf sangen – zogen sie es vor, die schwachen, noch vorhandenen Kräfte zum Heimweg zu benutzen und reisten ab. Allerdings: das Quartier war jämmerlich gewesen, obwohl gerade das, was sie als Unbequemlichkeit empfanden, zweifellos eine Ehrung für sie sein sollte.Was aber die Mahlzeiten anbetrifft – ja, da konnten die Indianer meiner Ansicht nach kein besseres Verfahren einschlagen. Sie selbst hatten nichts zu essen und waren zu verständig, um anzunehmen, daß Entschuldigungen ihren Gästen als Ersatz für Speisen dienen könnten; drum schnallten sie ihre Gürtel enger und verloren kein Wort darüber. Als Winslow sie späterhin zum zweiten Mal besuchte, war eine Zeit des Überflusses; da hatte er auch in dieser Beziehung keinen Grund sich zu beklagen.
An Menschen wird es einem fast nirgends fehlen. Ich hatte mehr Besucher, während ich in den Wäldern lebte, als zu irgend einer anderen Zeit meines Lebens, d.h. ich hatte einige. Ich traf mit manchen Leuten unter günstigeren Umständen als irgendwo sonst zusammen. Die Anzahl derer, die mit alltäglichen Anliegen zu mir kamen, war geringer. In dieser Hinsicht wurde meine Gesellschaft schon durch die Entfernung von der Stadt durchgesiebt. Ich war soweit auf den großen Ozean der Einsamkeit, in den die Ströme der Gesellschaft münden, hinausgefahren, daß meistenteils – insofern meine Ansprüche eine Rolle spielten – nur das feinste Sediment um mich herum sich absetzte. Außerdem wurden mir Beweise von weitentlegenen, unerforschten und unkultivierten Erdteilen zugetragen.
Wer kommt da heute morgen zu meiner Hütte? Ein wahrhaft homerischer oder paphlagonischer Mann – er hatte einen so passenden und poetischen Namen, daß ich denselben hier zu meinem großen Bedauern nicht drucken lassen kann – ein Kanadier, ein Holzfäller und Pfostenmacher, der fünfzig Pfosten an einem Tage anfertigen konnte und dessen letztes Abendbrot aus einem Murmeltier bestand, das sein Hund erlegt hatte. Auch er hatte von Homer gehört, und "wenn es keine Bücher gäbe", so wüßte er nicht "was er an Regentagen anfangen solle". Er hatte vielleicht nicht ein einziges Buch in vielen regnerischen Wochen durchgelesen. Irgend ein Priester der fernen heimatlichen Gemeinde, ein Priester, der sogar griechisch aussprechen konnte, hatte ihn gelehrt Verse im Alten Testament zu lesen, und jetzt muß ich ihm, während er das Buch hält, die Stelle übersetzen, wo Achilles den Patroklos wegen seiner betrübten Mienetadelt: "Warum also geweint, Patroklos, gleich einem Mägdlein?"
"Hast Du etwa allein Botschaft aus Pythia vernommen?
"Siehe noch lebt, wie sie sagen, Menoetius, Sprößling des Aktor,
"Auch noch lebt in dem Volk der äakidische Peleus:
"Welche zween wir am meisten betrauerten, wenn sie gestorben."
Darauf sagt er: "Das ist gut." Er hat ein großes Bündel Weißeichenrinde unter dem Arm; er sammelte sie heute am Sonntagsmorgen für einen kranken Mann. "Ich glaube, es ist nichts Böses dabei, wenn man so etwas am Sonntag tut", sagt er. Für ihn war Homer ein großer Schriftsteller, obwohl er nicht wußte, über was Homer geschrieben hatte. Einen einfacheren, natürlicheren Menschen wird man wohl schwerlich finden. Laster und Krankheit, durch welche auf die Welt ein düsterer Schatten geworfen wird, schienen für ihn kaum zu existieren. Er war ungefähr achtundzwanzig Jahre alt,
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