Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Pommern nach Rügen), um über das Wässerchen zu patschen, ohne sich die Schühlein zu netzen".] und schleudern sie gegen Götter und Menschen.
Dummdreist und prahlerisch pochen sie nun auf ihre blinde Kraft, welche aber in ihrer Unbehilflichkeit von Göttern und selbst von menschlichen Helden, etwa mittels überlegener (Zauber-) Waffen und durch Geist und Mut ganz regelmässig besiegt wird. Auf plumpen Sinnengenuss und die darauf folgende Trägheit gehen auch ihre Namen: Jötun, der Esser, Fresser, und Thurs, der Durster, Säufer.
Alle Elemente und Naturgewalten, welche den Menschen schaden können, sind nunmehr in Riesen dargestellt; daher gibt es Steinriesen, Bergriesen, Waldriesen.
Wir sahen, wie die dem menschlichen Ackerbau nichts gewährenden, vielmehr verderbliche Felsstürze herabschleudernden Steinberge recht eigentlich die Musterriesen und daher Hauptfeinde Thors sind, der ihnen mit Blitz und Regen die Häupter spaltet und zermürbt. Die Riesen wohnen also auf den höchsten Felsbergen und in Steinhöhlen (so Hyndla, die Hündin) der Berge; von Stein sind ihre Waffen, Keulen, Stangen, Schuhe, ja ihre Häupter und Herzen (s. oben Hrungnir), "Steinalt" heissen sie; oder "bergesalt"; "alt wie der Böhmerwald", auch wie das Riesengebirge; – im Zusammenhang damit, dass das Steinalter eine unvordenklich frühe Zeit bedeutet, da die Menschheit noch nicht Erzgerät und Erzwaffen führten. Die Riesen müssen vor dem Ackerbau der Menschen aus dem Lande weichen; der Anbau löst das Gestein der Berge auf. Deshalb mahnt der alte Riese, dessen kleines Mädchen vom Berg niedergestiegen war und einen Bauer samt Rind und Pflug in der Schürze aus der Niederung mitgebracht hatte als Spielzeug: "Bring’s zurück, mein Töchterlein! Das ist von einem Geschlecht, das uns Riesen grossen Schaden tut; wir müssen vor ihnen einst das Land räumen, und sie werden an unsrer Seite hier wohnen."
Die Berg-Riesen [Fußnote: Schon der älteste Riese Bergelmir war ein solcher, dann Sutung, Gunnlöds Vater. Vgl. König Watzmann, Frau Hilt, Riesenkopf, Riesengebirge als Bergnamen.] gehen dann leicht in Waldriesen über; Waldunholde, wilde, nackte Männer, nur mit Laubbüscheln die Lenden bekleidet, ausgerissene Bäume als Waffe in den Händen, menschenfresserisch; es sind die Schrecknisse des Urwaldes in ihnen dargestellt. Witolf oder Widolf war ein solcher Waldriese; wenn alle Walen (d. h. weissagende Frauen) von ihnen abstammen, geht das schwerlich auf die geheimnisvoll flüsternden Schauer des tiefen Waldes, eher doch darauf, dass diese in einsamen Waldbergen, genauer in Höhlen, zu hausen pflegen. Dieses Wohnen gar vieler Riesen in Höhlen hat dann wohl dahin geführt, dass man Riesenheim geradezu in die Unterwelt verlegte; – die Walen sind oft tot und müssen erst wieder zum Leben geweckt werden; wie ja Hel, ursprünglich wohltätige Göttin, selbst zur riesischen Unholdin wird. [Fußnote: Jedenfalls liegt Riesenheim ausserhalb und auch unterhalb des Randes von Midgard; daher Utgard; Aussengehege; zweifelhaft, ob diesseits oder jenseits des Kreises der Midgardschlange; der Streit löst sich wohl dadurch, dass ja dieser von der Schlange später gezogene Gürtelkreis selbst riesisch ist, also schon zu Riesenheim gehört.]
Ferner Feuerriesen: die Söhne Muspels, des Holzverderbers (jetzt anders gedeutet), d. h. eben: des Feuers. Ihr König und Muspelheims Herr ist der furchtbare Surtur, der schwarze, der allverfinsternde Brandrauch (s. unten Götterdämmerung) [Fußnote: Er hat seit Erschaffung der Welt mit flammendem Schwert Wache gehalten, sitzend an der heissen Mark von Muspelheim, innerhalb deren alles so brennt und glüht, dass niemand darin leben kann, der nicht dort heimisch ist. Furchtbar wird er einst aufstehen!] ; aber auch Loki, den als schädliches Feuer der rein riesische Utgardloki gewissermassen wiederholt, tritt in dem letzten Kampf, nachdem er sich losgerissen von seinen Felsen- und Eisenbanden, als Feuerunhold gegen die Götter auf.
Zweifelhaft ist, ob Utgardloki derselbe ist, der auch Hâlogi (Hochlohe) heisst. Hâlogaland ist nach ihm benannt; er ist ein Sohn des Altriesen Forn-jotr, seine Gattin ist Glöd (die Glut); beider Töchter, Eisa und Eimyria (Asche und Glut-Asche) werden von zwei Jarlen, Wê-seti (Weihtums-Errichter) und Wifil (Weibnehmer) nach den Inseln Burgundarholm (Bornholm) und Wifil-ey entführt, d. h. die ersten Besiedler dieser Inseln bringen die heilige Herdflamme und die Ehe mit.
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