Walküre
heraufeilte.
»Ihre Kollegen haben mich wissen lassen, dass dies etwas mit Jens' Tod zu tun haben könnte«, sagte sie ohne Begrüßung. Fabel bemerkte die grimmige Entschlossenheit in ihrem Gesicht und musste daran denken, dass Jespersen mehr als ein Kollege für sie gewesen war.
»Ich weiß es natürlich noch nicht, Karin. Die Mörderin hat uns selbst angerufen, und sie befindet sich nun im Präsidium. Jedenfalls könnte sie unsere St.-Pauli-Mörderin sein. Aber am interessantesten ist die Geschichte, die sie uns erzählen möchte. Das Opfer ist dreiundsechzig Jahre alt, ein pensionierter Lehrer aus Flensburg namens Robert Gerdes. Die Frau, die ihn gefoltert und ermordet hat, behauptet jedoch erstaunlicherweise, dass er in Wirklichkeit ein ehemaliger hochrangiger Stasi-Offizier war und Georg Drescher hieß.«
Einen Moment lang wirkte Karin Vestergaard wie benommen. »Kann ich mir das Opfer ansehen?«
»Es wäre besser, darauf zu verzichten. Sie hat ihn wirklich übel zugerichtet, und außerdem müssten Sie sich zuerst Schutzkleidung anziehen. Ich habe nach Ihnen geschickt, weil ich mir das Apartment des Opfers ansehen werde. Er hat über dieser Etage gewohnt. Ich dachte, Sie würden mir helfen wollen. Vielleicht entdecken Sie etwas, das auf Jespersen hinweist.« Er wandte sich an Hechtner und Hermann. »Ihr beide nehmt euch die Wohnung der Verdächtigen vor ... sämtliche Zimmer außer dem Tatort in der Küche. Packt alles in Beutel.« Er drehte sich wieder der dänischen Polizistin zu. »Wenn wir oben fertig sind, möchte ich Sie bitten, sich meine Vernehmung der Verdächtigen anzuhören.«
»Ans Werk«, sagte sie düster.
3.
Das Penthouse verfügte über die gleiche gehobene Ausstattung wie das Apartment darunter. Es war ein wenig größer, und die verfügbare Fläche wurde besser genutzt, doch der Hauptunterschied bestand in der Einrichtung. Auch diese Wohnung war ultramodern und hell, aber die meisten Möbel, darunter einige Antiquitäten, machten einen gutbürgerlichen Eindruck. Fabel dachte an den Mann, der hier gewohnt hatte, und war nicht fähig, ihn mit der blutigen Fleischmasse, die unten auf der Küchenarbeitsplatte lag, in Verbindung zu bringen.
»Er hat ein paar schöne Möbel«, sagte Karin Vestergaard in einem für sie ungewöhnlichen Plauderton. »Meistens Walnuss, ein bisschen Ahorn. So etwas sehe ich nicht zum ersten Mal. Überwiegend ungarisches Art deco. In den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts hergestellt. Manche der anderen Stücke kommen aus Frankreich.«
Fabel schaute sie fragend an. »Ein Hobby...«, erklärte Karin Vestergaard.
Er nickte, und sie schritten langsam durch das Apartment. Es umfasste ein Wohn-, ein Arbeits- und ein Schlafzimmer sowie eine durchgehende Küche mit Esszimmer. Sie blieben im Arbeitszimmer stehen.
»Keine Anzeichen für eine Auseinandersetzung«, meinte Fabel. »Er scheint in letzter Zeit nicht einmal Besuch gehabt zu haben. Die ganze Veranstaltung hat sich anscheinend unten abgespielt. Aber ich werde veranlassen, dass Holgers Spurensicherer den Laden hier unter die Lupe nehmen.«
Karin Vestergaard griff nach einem Notizblock auf dem Schreibtisch. Fabel bemerkte, dass er von der gleichen Marke und Größe war wie diejenigen, die er selbst benutzte, um seine Gedanken zu Papier zu bringen. Vestergaard blätterte die Seiten durch und lachte ein paarmal leise. Auf Fabels fragenden Blick hin reichte sie ihm den geöffneten Notizblock.
»Abgesehen von seiner sonstigen Tätigkeit«, sagte sie, »scheint er eine Begabung als Karikaturist gehabt zu haben. Ist das nicht Ihre vortreffliche Kanzlerin Angela Merkel?«
»Ja ... Sie haben recht. Nicht übel.« Fabel grinste. »Ich weiß, dass Frau Merkel gute internationale Beziehungen befürwortet, aber ich glaube kaum, dass sie so etwas mit Monsieur Sarkozy anstellen würde. Außerdem ist er wohl nicht ganz so klein.«
»Er hatte einen teuren Geschmack ...« Karin Vestergaard legte den Notizblock wieder hin und musterte eine Deco-Bronzefigur auf dem Tisch. Es war ein stilisierter Adler, der auf einem Nussbaumsockel saß. »Für einen pensionierten Lehrer aus Flensburg.«
»Genau den Eindruck habe ich auch«, bestätigte Fabel. »Wir sollten hier im Arbeitszimmer anfangen. Ich nehme mir den Schreibtisch vor, und Sie könnten mit den Aktenschränken und den Bücherregalen beginnen.«
Eine Dreiviertelstunde später hatten sie jeden Brief, jede Rechnung, das Notizbuch des Opfers und seinen
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