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Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Titel: Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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weiß nicht, warum«, sagte er. »Es war nur so ein Gefühl.«
    Kurt Wallander dachte nach.
    »Die Nächte«, wiederholte er. »Da war niemand hier. Und sogar an manchen Tagen. War es so?«
    »Ja.«
    »Freitag, den 5.   Januar«, sagte Kurt Wallander. »Das ist über ein halbes Jahr her. Können Sie sich erinnern, ob hier an diesem Tag jemand gewesen ist?«
    Modin blätterte in seinem Tischkalender.
    »Da war ich auf einer Krisensitzung in Malmö«, antwortete er. »Wir hatten es mit einer solchen Flut von Asylbewerbern zu tun, daß wir nach provisorischen Unterkünften Ausschau halten mußten.«
    Die Steine unter Kurt Wallanders Füßen begannen zu brennen.
    Das Bild hatte angefangen zu leben. Jetzt sprach es zu ihm.
    |323| »An dem Tag war also niemand hier?«
    »Nur die Köchin. Aber die Küche liegt auf der Rückseite des Gebäudes. Sie muß nicht unbedingt bemerkt haben, ob jemand das Auto benutzt hat.«
    »Keiner der Asylbewerber hat Ihnen etwas erzählt?«
    »Asylbewerber verpfeifen niemanden. Sie haben Angst. Auch untereinander.«
    Kurt Wallander stand auf.
    Plötzlich hatte er es eilig.
    »Rufen Sie Ihren Kollegen im ›Celsiusgård‹ an, und teilen Sie ihm mit, daß ich zu ihm unterwegs bin«, sagte er. »Aber erwähnen Sie nichts Spezielles über diese beiden Männer. Sorgen Sie nur dafür, daß der Leiter da ist.«
    Modin sah ihn an.
    »Warum wollen Sie sie haben?« fragte er.
    »Sie können ein Verbrechen begangen haben. Ein schweres Verbrechen.«
    »Diesen Mord von Lenarp? Meinen Sie den?«
    Kurt Wallander sah plötzlich keinen Grund mehr, die Antwort noch länger zu verheimlichen.
    »Ja«, antwortete er. »Wir glauben, daß sie es waren.«
    Er kam kurz nach sieben Uhr am »Celsiusgård« mitten in Malmö an. Er parkte auf einer Querstraße und ging zum Haupteingang, der von einem Pförtner bewacht wurde. Nach ein paar Minuten kam ein Mann und holte ihn ab. Er hieß Larson, war früher Seemann gewesen und verbreitete unverkennbar einen Biergeruch um sich herum.
    »Haas und Kraftzcyk«, sagte Kurt Wallander, als sie sich in Larsons Zimmer gesetzt hatten. »Zwei tschechische Asylbewerber.«
    Die Antwort des Mannes mit der Bierfahne kam unmittelbar.
    »Die Schachspieler«, antwortete er. »Sie wohnen hier.«
    Jetzt endlich habe ich sie, dachte Kurt Wallander. Jetzt endlich.
    |324| »Sie sind also hier im Haus?«
    »Ja«, erwiderte Larson. »Das heißt, nein.«
    »Nein?«
    »Sie wohnen hier. Aber sie sind nicht hier.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Daß sie nicht hier sind.«
    »Wo zum Teufel sind sie dann?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Aber sie wohnen doch hier?«
    »Sie sind abgehauen.«
    »Abgehauen?«
    »Es passiert relativ oft, daß Leute von hier abhauen.«
    »Aber sie haben doch Asyl beantragt?«
    »Sie hauen trotzdem ab.«
    »Was machen Sie in solchen Fällen?«
    »Wir leiten das natürlich weiter.«
    »Und was geschieht daraufhin?«
    »Meistens nichts.«
    »Nichts? Leute, die auf eine Antwort warten, ob sie in diesem Land bleiben dürfen oder ausgewiesen werden, hauen ab. Und keiner kümmert sich darum?«
    »Die Polizei wird wohl versuchen müssen, sie zu finden.«
    »Das ist ja total verrückt. Wann sind sie verschwunden?«
    »Sie sind seit Mai weg. Sie hatten wohl beide den Verdacht, daß ihr Antrag auf Asyl abgelehnt werden würde.«
    »Wohin können sie gegangen sein?«
    Larson breitete resigniert die Arme aus.
    »Wenn Sie wüßten, wie viele Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung in diesem Land leben«, meinte er. »Davon gibt es so unendlich viele. Sie wohnen zusammen, fälschen ihre Papiere, tauschen die Namen untereinander und arbeiten schwarz. Sie können ein ganzes Leben lang in Schweden wohnen, ohne daß jemand nach Ihnen fragt. Das glaubt zwar keiner, aber so ist es.«
    Kurt Wallander war sprachlos.
    |325| »Das ist doch nicht normal«, sagte er. »Das ist doch verdammt noch mal nicht normal.«
    »Ich bin ganz Ihrer Meinung. Aber es ist, wie es ist.«
    Kurt Wallander seufzte.
    »Ich brauche sämtliche Unterlagen, die Sie über diese beiden Männer haben.«
    »Die kann ich doch nicht einfach so aushändigen.«
    Kurt Wallander explodierte.
    »Diese beiden Männer haben einen Mord begangen«, brüllte er. »Einen Doppelmord.«
    »Ich kann die Papiere trotzdem nicht herausgeben.«
    Kurt Wallander stand auf.
    »Morgen werden die Unterlagen ausgehändigt. Und wenn der Reichspolizeichef sie persönlich abholen muß.«
    »So ist das eben. Ich kann die Vorschriften nicht ändern.«
    Kurt

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