Wallander 02 - Hunde von Riga
erste Eindruck zählte. Ein Toter stand am Ende einer langen und komplizierten Kette von Ereignissen. Manchmal konnte man die Kette von Anfang an erahnen.
Martinsson, der Stiefel trug, stapfte ins Wasser und zog das Boot auf den Strand. Wallander hockte sich hin und betrachtete die Leichen. Die Krankenwagenfahrer standen bibbernd und mißmutig daneben und warteten mit ihren Bahren. Wallander hob den Kopf und sah, daß Peters damit beschäftigt war, die Frau zu beruhigen. Sie hatten Glück, daß das Boot nicht im Sommer an Land getrieben war, wenn der Strand voller spielender und badender Kinder war. Was er da vor sich hatte, war kein schöner Anblick. Die Verwesung hatte bereits eingesetzt, und ein unverkennbarer Leichengeruch konnte sogar in dem kräftigen Wind noch wahrgenommen werden.
|18| Er nahm ein Paar Gummihandschuhe aus der Jacke und durchsuchte vorsichtig die Taschen der Männer. Er fand nichts. Doch als er das Jackett des einen Mannes zur Seite schlug, entdeckte er auf dem weißen Hemd in Brusthöhe einen dunkelroten Fleck. Er sah Martinsson an.
»Das war kein Unfall«, sagte er. »Das war Mord. Zumindest diesem Mann ist direkt ins Herz geschossen worden.«
Er stand auf und ging einige Meter zur Seite, damit Norén das Boot fotografieren konnte.
»Was denkst du?« fragte er Martinsson.
Martinsson schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nicht«, antwortete er.
Wallander drehte langsam eine Runde um das Boot, während er die Toten betrachtete. Beide Männer waren blond und kaum älter als dreißig Jahre. Nach den Händen und ihrer Kleidung zu urteilen, waren sie keine Arbeiter. Aber wer waren sie? Warum waren ihre Taschen leer? Er ging immer wieder um das Boot herum. Ab und zu wechselte er ein paar Worte mit Martinsson. Nach einer halben Stunde war er der Meinung, daß es nichts Neues zu entdecken gab. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Leute von der Spurensicherung bereits ihre Untersuchung begonnen. Über dem Boot war ein kleines Plastikzelt aufgespannt worden. Norén hatte die Fotoarbeiten abgeschlossen; alle froren und wollten fort. Wallander fragte sich, was Rydberg wohl gesagt hätte. Welche Dinge hätte Rydberg gesehen, die ihm entgingen? Er setzte sich in sein Auto und ließ den Motor an, um sich aufzuwärmen. Das Meer war grau, und sein Kopf leer. Wer waren eigentlich diese Männer?
Viel später, als Wallander so durchgefroren war, daß er am ganzen Körper zitterte, konnte er endlich den Sanitätern zunicken, die daraufhin mit ihren Bahren herbeikamen. Sie hatten alle Hände voll zu tun, um die Männer aus ihrer Umklammerung zu befreien. Nachdem die Leichen abtransportiert worden waren, durchsuchte Wallander eingehend das Boot. Aber dort war nichts zu entdecken, nicht einmal ein Paddel. |19| Wallander sah auf das Meer hinaus, als ob die Lösung irgendwo am Horizont zu suchen wäre.
»Du mußt mit der Frau sprechen, die das Boot entdeckt hat«, sagte er zu Martinsson.
»Das habe ich doch schon getan«, erwiderte Martinsson erstaunt.
»Gründlich«, verdeutlichte Wallander. »Man kann bei diesem Wind nicht ordentlich miteinander reden. Nimm sie mit ins Präsidium. Norén soll dafür sorgen, daß das Boot im jetzigen Zustand ins Präsidium gelangt. Sag ihm das.«
Danach ging er zu seinem Auto zurück.
Jetzt bräuchte ich Rydberg, fuhr es ihm wieder durch den Kopf. Was hätte er gesehen, das ich nicht sehe? Was hätte er gedacht?
Als er ins Polizeipräsidium von Ystad zurückgekehrt war, ging er auf direktem Weg zu Björk, dem Polizeichef. Er berichtete ihm kurz, was er draußen bei Mossby Strand gesehen hatte. Björk hörte betroffen zu. Wallander hatte oft das Gefühl, daß Björk sich persönlich angegriffen fühlte, wenn in seinem Distrikt ein schweres Gewaltverbrechen verübt wurde. Wallander hegte einen gewissen Respekt für seinen Chef. Dieser mischte sich nicht in die Arbeit der einzelnen Polizeibeamten ein, und wenn eine Ermittlung festzufahren drohte, versuchte er stets, gute Laune zu verbreiten. An den Umstand, daß er hin und wieder launisch sein konnte, hatte Wallander sich gewöhnt.
»Du mußt an der Sache dranbleiben«, sagte Björk, als Wallander fertig war. »Martinsson und Hansson helfen dir. Ich glaube, daß wir einige Leute auf den Fall ansetzen können.«
»Hansson ist gerade mit dem Vergewaltiger beschäftigt, den wir vor ein paar Nächten gefaßt haben«, wandte Wallander ein. »Vielleicht wäre Svedberg besser?«
Björk nickte. Wallander bekam seinen Willen. So war
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